JULIA EXTRA BAND 0273
waren längst verschwunden. Als Kayla ihren Vater danach gefragt hatte, um sie sich noch einmal genauer anzuschauen, lagen sie angeblich schon wieder bei seinem Anwalt. Aber der hatte trotz Nachforschungen nicht einmal eine Aktennotiz über sie finden können.
Was für ein schauderhafter Verdacht, ihr Vater könnte mit betrügerischen Mitteln die Zerstörung ihrer Ehe betrieben haben! Oder war er aus Kummer über den Tod seiner Frau vielleicht verrückt geworden?
„Iss doch etwas“, sagte Durardo leise.
„Ich habe keinen Hunger.“ Der Appetit war ihr wirklich vergangen. Mit flauem Magen schob sie den Teller zur Seite.
Was für ein schrecklicher Tag, und er war noch immer nicht zu Ende. Sie wollte fort von hier, fort von diesem Mann, seinen Feindseligkeiten, den Demütigungen, von allem …
„Denk nicht einmal darüber nach.“ Seine Stimme klang weich, aber Kayla erkannte die mitschwingende Drohung.
Ohne nachzudenken griff sie nach ihrem Glas und schüttete Duardo das Wasser ins Gesicht.
In Zeitlupe nahm sie wahr, wie er nach der Serviette griff, um sich das Gesicht abzutrocknen, wie der Kellner aufgeschreckt zur Hilfe herbeieilte. Und schon war sie auf den Füßen, griff nach ihrer Tasche und floh.
Auf dem Bürgersteig hob sie die Hand, um ein vorbeifahrendes Taxi anzuhalten. Doch da wurde sie schon von starken Händen bei der Schulter gepackt und herumgedreht. Sie schrie auf.
Duardos Gesichtzüge wirkten hart wie Stein in dem schummrigen Licht der Straßenbeleuchtung.
„Du tust mir weh“, fauchte sie ihn an.
„Glaube mir, das gerade versuche ich zu vermeiden.“
Für einen Moment war die Atmosphäre zwischen ihnen elektrisch geladen. Die kleinste Bewegung, und es würden Funken sprühen.
„Ich kann das nicht!“ Der Schrei löste sich aus der Tiefe ihrerSeele.
Er umfasste ihr Gesicht und zwang sie, ihn anzuschauen.
„Ich brauche Zeit“, sagte sie.
„Damit wäre nichts gewonnen.“
„Bitte“, flehte sie.
Mit dem Daumen strich er über ihre Lippen. „Nein.“
Sie biss zu. Kräftig. Hörte, wie er leise fluchte, schmeckte sein Blut und schrie wieder, weil er sie hochhob und über die Schulter legte. „Lass mich runter!“
„Gleich.“
Sie ballte die Hände und trommelte mit den Fäusten auf seinen Rücken ein. Ungerührt ging er zu seinem Wagen, öffnete die Beifahrertür, ließ sie auf den Sitz gleiten und schnallte den Sicherheitsgurt um sie. „Wenn du dich bewegst, garantiere ich für nichts“, drohte er.
Sie hasste ihn. Schon allein, weil er sie in diese erniedrigende Situation brachte.
Und wenn Duardo die Wahrheit sagte?
Und ihr Vater gelogen hatte bis zu seinem bitteren Ende?
Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. Sie konnte, sie wollte das nicht glauben. Dann starrte sie regungslos durch die Windschutzscheibe auf die nächtliche Straße, bis Duardo neben ihr saß und den Wagen startete.
„Ich möchte die Akten einsehen, die den Ablauf der Übernahme belegen“, sagte sie. Sie wollte die Wahrheit wissen und sich ihr stellen.
„Mein Anwalt wird dir beglaubigte Kopien zur Verfügung stellen.“
Während der restlichen Fahrt durch die Stadt versank sie in tiefes Schweigen. Duardo bot ihr ein schuldenfreies Leben. Ihr Bruder könnte seinen Wunschberuf ergreifen, studieren und Arzt werden.
Jacob war der einzige Mensch, den sie noch hatte. Er verdiente diese Chance.
Und sie? Verdiente sie auch eine? Kayla schloss die Augen. Hatte sie wirklich diese Chance verdient?
Was für eine Alternative gab es denn?
Keine. Also musste sie mit der Situation fertig werden. Für sie gab es keine Wahl.
Der Wagen hielt in der schmalen Vorortstraße, wo sie wohnte.
In der Nähe parkte ein auffallend neues Auto. Duardo ging hin, sprach mit dem Fahrer und zeigte schließlich nach oben zu ihrer Wohnung. Dann führte er sie ins Haus.
Selbst das schwache Licht offenbarte die Schäden an den Wänden des Treppenhauses. Kayla stieg vor Duardo die abgetretenen Holzstufen hinauf. Es roch leicht, aber unverkennbar nach schlechtem Essen.
Hinter dem Sicherheitsschloss ihrer Wohnungstür verbargen sich zwei armselige Räume, die unpersönlich und spärlich möbliert waren. Hier wurde geschlafen, aber nicht gewohnt.
„Nimm nur mit, was du wirklich benötigst“, sagte Duardo.
Sie brauchte nicht lange, um ihre wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken. Sie passten in eine Reisetasche. In eine zweite stopfte sie Jacobs Sachen. „Der Vermieter …“
„Spence hat das schon geregelt.“ Er zeigte
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