JULIA EXTRA BAND 0273
sie ihn. Er musste bleiben und ihr zuhören. Die kleinste Einzelheit aus Francescas Leben bedeutete ihm alles.
„Was hast du ihr erzählt?“, hakte er eisig nach.
„Dass ich ihren Vater aus den Augen verloren habe, aber dass er sie sehr liebt und bestimmt eines Tages zu ihr zurückkommt.“
„Deine Version der Wahrheit mit einem unglaubwürdigen Happy End?“
„Ich habe es Francesca so erklärt, dass sie es verstehen konnte und es sie nicht traurig machte. Sie sollte nicht glauben, ihr Vater habe sie im Stich gelassen, so wie meine Eltern sich in der Stunde der Not von mir abkehrten.“
„Soll ich dir dafür jetzt dankbar sein, Kate?“, rief er erbost. „Wie hätte ich meine Tochter im Stich lassen können, wo ich von ihrer Existenz gar nichts wusste? Du hast nie einen Versuch unternommen, mich zu finden.“
„Du warst ein Fremder für mich, verstehst du das denn nicht? Außerdem hatte ich von diesem Prozess gehört und dachte …“
„… dass ich ein verantwortungsloser Dreckskerl bin?“ Santinos Augen funkelten gefährlich.
„Ich hatte mich für Francesca entschieden und musste sie beschützen. Das ist eine Entscheidung, die ein ganzes Leben lang gilt, Santino. Aber davon verstehst du nichts.“
„Du hast mir nie eine Wahl gelassen.“
„Eine Mutter hat auch keine Wahl.“
„Und was ist mit Aufrichtigkeit und Vertrauen? Spielt das keine Rolle im Denken einer Mutter?“ Die Antwort kannte er bereits.
„Dann muss ich jetzt also die Konsequenzen tragen?“, fragte sie aufgebracht.
„Die Konsequenzen?“ Die Brauen spöttisch hochgezogen, funkelte er sie an. „Mir scheint, es ist etwas spät, um über die Folgen nachzudenken. Wenn ich mich recht erinnere, waren wir zwei Erwachsene, die wussten, was sie taten, und es wollten. Andernfalls wäre es gar nicht so weit gekommen.“
„Du hältst dich wohl für allwissend, was? Dann weißt du ja wahrscheinlich auch, dass ich noch Jungfrau war.“
Obwohl ihn diese Worte ganz unvermutet und mit der Wucht einer Abrissbirne trafen, schürten sie nur seine Wut. „Und deineUnschuld war dir so kostbar, dass du es gar nicht erwarten konntest, sie endlich dem Erstbesten hinterherzuwerfen – selbst einem Wildfremden!“
„Ich habe dir gar nichts hinterhergeworfen!“
„Willst du das Francesca erzählen, wenn sie älter ist, ja?“ Als er sah, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich, verspürte er Genugtuung. Kühl informierte er Kate: „Ich habe die Haushälterin angewiesen, den Tisch auf der Terrasse zu decken. Deine Anwesenheit ist nur erforderlich, um Francesca zu beruhigen.“
Selbst in Santinos Ohren klirrte seine Stimme schier vor Kälte. Kate verdiente kein Erbarmen. „Also reiß dich ein bisschen zusammen. Du solltest Ruhe ausstrahlen.“
„Ich bin sehr ruhig, Santino“, versicherte sie grimmig.
Sie war entschlossen, keinen Millimeter zurückzuweichen. Das konnte er ihr ansehen. Diese vor Zorn und Empörung blitzenden Augen! Verflucht, warum musste er ausgerechnet eine Frau wie Kate Mulhoon begehren? Das hatte er wirklich nicht verdient. Und warum um alles in der Welt musste ausgerechnet sie die Mutter seiner einzigen Tochter sein?
12. KAPITEL
Nach der Besprechung mit dem Anwalt beschloss Kate, sich nicht im Haus zu verkriechen, sondern ebenfalls zum See zu gehen. Sie hatte schließlich genauso ein Recht darauf, mit Francesca zusammen zu sein wie Santino.
Gerade näherte sie sich dem Ufer, da hob Santino Francesca aus dem Boot und setzte sie auf dem Steg ab. Sobald Francesca Kate entdeckte, rannte sie über die Wiese auf ihre Mutter zu. Kate schloss ihre Tochter in die Arme und schwenkte sie durch die Luft. Francesca konnte sich vor Aufregung kaum halten. Mit leuchtenden Augen erzählte sie von der Insel, auf der sie mit ihrem Daddy Piraten spielen konnte, wenn sie älter war. Dafür müsse sie aber erst segeln lernen …
Santino kann Francesca vieles beibringen, überlegte Kate, während sie lächelnd Francescas atemlosem Monolog lauschte. Solange sie glücklich war, wollte Kate zufrieden sein. War dasnicht schon immer so gewesen?
Während Santino auf sie zukam, beeilte sich Kate, das Verlangen zu ignorieren, das bei seinem Anblick in ihr aufstieg. Er war der atemberaubendste Mann, der ihr je begegnet war. Aber sie wagte es nicht, ihm ins Gesicht zu sehen. Aus Angst vor dem verachtungsvollen Blick, der sie mit Sicherheit erwarten würde. Sie musste sich selbst schützen. Der Gefühlstumult in ihr wurde inzwischen immer
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