JULIA EXTRA BAND 0274
geschnitten. Auf Drucilles Befehl, nehme ich an.“ Sie schauderte. Welch eine Verschwendung!
„Kann es … repartiert werden? Was meinen Sie?“, erkundigte Maurice sich tonlos.
„Das glaube ich nicht. Von dem, was noch übrig ist, lässt sich wahrscheinlich nicht einmal ein Puppenkleid zusammenstückeln.“
Maurice brach in Tränen aus. „Unsere ganze Arbeit – alles umsonst! Es sollte der schönste Abend Ihres Lebens werden, und diese …“
Mitfühlend legte Lily ihm einen Arm um die Schulter. „Nehmen Sie es nicht so schwer, Maurice.“ Wie ironisch – sie musste ihn trösten. „Wir werden schon eine Lösung finden.“
„Welche?“ Er lachte bitter. „Wollen Sie ein Kleid von der Stange tragen?“
Freddy nickte. „Er hat recht. Jeder wird sehen, dass es in letzter Minute gekauft wurde.“
Gleichmütig ließ sie den Arm fallen. „Das ist immer noch besser als gar nichts. Oder als überhaupt nicht auf den Ball zu gehen.“
Am Ende des Korridors öffnete sich eine Tür. Bernice Dorbrook steckte den Kopf heraus. „Was ist denn hier los?“
„Bitte entschuldigen Sie, Bernice, aber …“
Weiter kam Lily nicht, denn Maurice überfiel die Witwe des Ölmillionärs sogleich mit der Nachricht von Drucilles Schandtat.
Bernice nickte nur. „Das wundert mich kein bisschen. Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass sie eine durchtriebene Person ist, Lily? Ich wusste gleich, dass Sie sich vor ihr in Acht nehmen müssen.“
Eifrig stimmten Maurice und Freddy mit ein, worauf ein Gespräch entflammte, in dem keiner von ihnen ein gutes Haar an Drucille, Lady Ann oder Lady Penelope ließ.
Schließlich mischte Lily sich ein. „Das mag ja alles richtig sein, nur hilft es uns nicht weiter. In einer Dreiviertelstunde soll ich den Kronprinzen auf den Ball begleiten, und ich habe nichts anzuziehen!“
„Machen Sie sich deshalb keine Sorgen“, sprach Bernice beruhigend auf sie ein. „Ich habe genau das richtige Kleid für Sie. Kommen Sie.“ Sie ging in die Suite zurück und bedeutete Lily, Maurice und Freddy, ihr zu folgen.
„Ich trug es 1958 zur Oscar-Verleihung. Damals war ich mit einem Produzenten verheiratet. Einer seiner Filme wurde nominiert. Gewonnen hat er leider nicht …“ Sie seufzte.„Aber das Kleid habe ich noch. Es ist umwerfend, ein Valentino-Modell.“
Maurice und Freddy spitzten die Ohren. Während Bernice im Schlafzimmer verschwand, bewunderten sie die vielen Fotos, die im Salon an den Wänden hingen. Alle zeigten die Ölmillionärswitwe mit einem ihrer drei Ehemänner in Gesellschaft berühmter Persönlichkeiten: neben Grace Kelly auf einer Cocktailparty, mit Ernest Hemingway beim Hochseefischen. Sogar ein Schnappschuss mit Willy Brandt an der Berliner Mauer war darunter.
Wenig später erschien Bernice mit einem schwarzen Abendkleid. „Hier, probieren Sie es an, Sie können sich in meinem Schlafzimmer umziehen.“
Vorsichtig nahm Lily das kostbare Stück entgegen und zog sich zurück. Hoffentlich mussten sie nicht zu viel ändern!
Es passte. Und wie – als hätte man es speziell für Lily angefertigt. Aus Seidensatin, schulterfrei und mit einer kleinen Schleppe versehen, schmiegte es sich perfekt an ihren Körper. Das glänzende Material betonte jede verlockende Rundung. Wie eine zweite Haut spannte es sich um die schmale Taille, die schlanken Hüften und die langen Beine.
Drei Augenpaare blickten ihr starr entgegen, als sie in den Salon zurückkam. Niemand brachte ein Wort hervor, bis Maurice stockend hervorbrachte: „S… Sie sind einfach traumhaft, Lily.“
„Hinreißend!“, rief Freddy begeistert.
„Darling“, sagte Bernice trocken, „wenn ich damals so ausgesehen hätte wie Sie, dann wäre ich nach der Oscar-Verleihung nicht mit meinem Mann, sondern mit Cary Grant nach Hause gegangen.“
Lily schluckte. „Ich … Danke, Bernice, ich weiß nicht, was ich ohne Sie getan hätte.“ In ihren Augen schimmerte es feucht, doch dann straffte sie die Schultern. „In einer halben Stunde muss ich fertig sein. Ich hoffe, Sie können an meinen Haaren ein Wunder vollbringen, Freddy.“
„Kein Problem.“
Alle vier marschierten ins „Ankleidezimmer“ zurück. Zwanzig Minuten später war Lilys Verwandlung vollendet. Als sie ihr Spiegelbild betrachtete, hielt sie den Atem an: So schön hatte sie noch nie ausgesehen.
Es klopfte, und Conrad trat ein. Abrupt blieb er vor Lily stehen. „Sie sind … unglaublich“, flüsterte er heiser. „In meinem ganzen Leben bin ich keiner
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