Julia Extra Band 0294
doch, Rebecca, das müssen Sie! Ihretwegen habe ich nicht nur einen meiner berühmtesten Passagiere verloren, sondern auch mögliche weitere Kunden aus seinen Kreisen. Da schulden Sie mir zumindest, mich zu Ende anzuhören.“
„Aber es gibt nichts mehr zu sagen.“ Rebecca schlug das Herz bis zum Hals, instinktiv spürte sie, dass Vanessa das Schlimmste noch gar nicht wusste.
„Es gibt sogar sehr viel zu sagen!“, tobte die Blondine. „Sie haben nicht nur das Berufsbild meiner Firma geschädigt, sondern auch das der Flugbegleiterinnen anderer Fluggesellschaften!“
„Hören Sie, ich habe doch gesagt, es tut mir leid“, wiederholte Rebecca. „Schrecklich leid“, betonte sie. „Aber Xandros war so beharrlich, und ich …“
Vanessas Gesicht rötete sich gefährlich. „So? Also meiner Erfahrung nach sind Männer nie beharrlich, es sei denn, eine Frau gibt ihnen grünes Licht.“ Aufgebracht schleuderte sie ihren Federhalter auf den Schreibtisch. „Und noch etwas kann ich Ihnen sagen: In unserer Branche werden Sie nie wieder eine Stelle bekommen! Dafür sorge ich! Und jetzt raus!“
Benommen überlegte Rebecca, ob man heutzutage noch von einem Moment zum anderen gefeuert werden könne. Dann fiel ihr ein, dass ihre Beziehung zu Xandros als grobes Fehlverhalten ausgelegt werden könnte, was tatsächlich ein Grund für eine fristlose Kündigung war. Außerdem musste sie sich fragen, was ihr lieber war: auf der Stelle zu gehen und den Leuten von Evolo nie mehr gegenübertreten zu müssen oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzuarbeiten und dem Geklatsche ihrer Kollegen ausgesetzt zu sein.
„Ich schicke Ihnen meine Uniform zu“, sagte sie matt.
„Gereinigt!“, forderte Vanessa.
Auf dem Nachhauseweg kam Rebecca sich wie ein Wesen von einem anderen Stern vor. Ihr war, als gehörte sie nicht hierher. Wenn sie sich wenigstens jemandem hätte anvertrauen können! Aber an wen sollte sie sich in ihrer Not wenden?
Ihre verwitwete Mutter hatte wieder geheiratet und lebte in Australien. Sie konnte sie schlecht anrufen und gestehen: „Mom, ich bin schwanger von einem Mann, den ich vermutlich nie wiedersehen werde.“
Und befreundeten Arbeitskollegen konnte sie ihr Herz auch nicht ausschütten. Vanessa würde ihnen unterstellen, Partei zu ergreifen, dann wären die Jobs dieser Menschen ebenfalls gefährdet. Und ihre beiden besten Freundinnen, die stets für sie da gewesen waren, hatten eigene Berufe und wohnten nicht in London. Wenn sie hier wären, hätte sie sich bei ihnen wenigstens bei einem Kaffee ausweinen können. Doch im Grunde genommen fühlte Rebecca sich so schrecklich, dass sie sich niemandem anvertrauen wollte.
Schon gar nicht, da noch nicht einmal der Vater ihrer Babys wusste, was geschehen war!
Rebecca erschauerte. Die Augustsonne brannte heiß auf sie hernieder, doch innerlich wurde ihr eiskalt, als sie an die unbestreitbare Tatsache dachte.
Ich bin schwanger und erwarte Zwillinge . Das war die Wirklichkeit.
Und sie hatte keinen Mann, keine Arbeit und keine Zukunftsaussichten. Auch das waren brutale Tatsachen.
Verloren stand Rebecca da, während ein roter Doppeldeckerbus an ihr vorbeibrauste, dessen Fahrgäste sie nur verschwommen wahrnahm. Eine Frage ging ihr immer wieder im Kopf herum und ließ sich nicht verdrängen. Was soll ich jetzt bloß tun?
Ihr blieben nicht viele Möglichkeiten.
Unwillkürlich tastete sie nach ihrem Bauch. Sie hatte zugenommen, aber bisher war es niemandem aufgefallen. Noch nicht. Wie hätte Vanessa wohl reagiert, wenn sie wüsste, dass sie, Rebecca, von Xandros Zwillinge erwartete?
Xandros’ Babys . Sie stöhnte auf. Ihr griechischer Exliebhaber wurde Vater und ahnte nichts davon. Niemand wusste es, doch bald würde es nicht mehr zu übersehen sein. Und was dann?
Rebecca fuhr mit der U-Bahn nach Hause und zog vorsichtig ihre Uniform aus, dann schlüpfte sie in ein Sommerkleid und betrachtete sich in ihrem winzigen Schlafzimmer von allen Seiten kritisch im Spiegel. Unter dem dünnen Stoff zeichnete ihre Figur sich schwach ab. Für den ahnungslosen Betrachter musste sie wie eine gesunde, wohlgeformte junge Frau aussehen. Nichts verriet, dass neues Leben in ihr wuchs.
In einer halb geöffneten Schublade, inmitten von Modeschmuck, schimmerte etwas. Rebecca verspürte einen schmerzlichen Stich im Herzen, als sie die platingefassten Bernsteinohrringe erkannte, die Xandros ihr an jenem schicksalhaften Abend geschenkt hatte.
Hatte er sie als
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