Julia Extra Band 0294
ersten Stunde hier. Ich kann dich unmöglich im Stich lassen und an ein anonymes Taxi abschieben.“
Der Ausdruck „seit der ersten Stunde“ gefiel ihr ganz und gar nicht. Das klang ja, als wäre sie so alt wie Methusalem! Noch mehr missfiel ihr, dass seine Berührung ein wundersames Kribbeln in ihrem Bauch verursachte. Steif entgegnete sie: „Du lässt mich nicht im Stich. Es ist meine eigene Entscheidung.“
„Eine schlechte Entscheidung, und deshalb bin ich voll berechtigt, sie zu überstimmen.“ Er stand auf und ging hinaus. „Ich hole nur schnell meine Jacke.“
„Harry!“, rief sie ihm ungehalten nach.
Grinsend steckte er den Kopf zur Tür herein. „Ja, Gina?“
„Das ist ja lächerlich“, murrte sie. Und es war gefährlich für sie.
„Hör auf zu maulen und pack deine Sachen zusammen“, riet er und wandte sich erneut ab.
Eine Minute später kam er zurück und nahm ihr das Navigationssystem ab.
„Nimm meine Schlüssel auch gleich an dich.“ Sie reichte ihm den dicken Bund, der unter anderem Zugang zu sämtlichen vertraulichen Akten gewährte. „Ich wollte ihn eigentlich Susan geben. Leider bin ich nicht dazu gekommen.“ Weil diese Susan vollauf beschäftigt war, dir schöne Augen zu machen .
Kommentarlos steckte Harry die Schlüssel ein.
Auf dem Weg zum Lift sagte sie leise: „Danke für die Uhr. Sie ist wirklich sehr schön.“
„Gern geschehen. Was Dad zu dir gesagt hat, war ernst gemeint. Die Uhr ist von uns beiden. Du warst unübertrefflich nach seinem Herzinfarkt. Du hast hier die Stellung gehalten und endlose Überstunden eingelegt, damit ich mich einarbeiten konnte. Ohne dich hätte ich es nicht gepackt, Gina.“
„Das hätte doch jeder getan.“
„Das stimmt nicht.“ Sanft, in verführerisch rauem Ton fügte er hinzu: „Ich möchte mich dafür bedanken.“
In den Fahrstuhl passten mindestens zwölf Personen, doch plötzlich wirkte er zu klein für zwei. Sie fing eine dezente Wolke Aftershave auf und sog sie begierig ein. Sie bot all ihre Willenskraft auf und sagte gelassen: „Das ist nicht nötig. Ich habe nur meinen Job gemacht. Trotzdem ist es schön zu wissen, dass meine Leistung geschätzt wird.“ Sie zwang sich zu lächeln und atmete insgeheim erleichtert auf, als sich der Lift im Foyer öffnete.
Im Auto wuchs ihre Anspannung wie erwartet erneut. Der Innenraum – ganz in schwarzem Leder gehalten und mit hypermodernem Armaturenbrett ausgestattet – wirkte faszinierend, doch es war allein Harrys Nähe, die ihr den Atem verschlug. „Ein schönes Auto“, bemerkte sie mit rauer Stimme. Die Un tertreibung des Jahres . „Ein Spielzeug für richtige Jungs?“
Lächelnd wandte er ihr den Kopf zu. Er war ihr so nahe, dass sie jede einzelne Bartstoppel an seinem Kinn erkennen konnte, obwohl die Abenddämmerung bereits angebrochen war. „In den Staaten hatte ich auch so ein Auto. Ich liebe eben rasante Schlitten.“
Und zweifellos rasante Frauen . Sie nickte bedächtig. „Es muss dir schwergefallen sein, Amerika zu verlassen.“
„Das stimmt.“ Er startete den Motor. „Was ist mit Dinner?“
„Wie bitte?“
„Dinner“, wiederholte er geduldig. „Oder hast du andere Pläne? Ich dachte, es wäre ein netter Weg, deine Zeit bei Breedon abzurunden. Ein kleines Dankeschön.“
„Du hast mir doch schon mit der Uhr gedankt“, wandte sie ein und hoffte, dass er ihre Aufregung nicht merkte.
„Das war ein gemeinsamer Dank. Das Dinner kommt nur von mir.“
Es war nicht ratsam, die Einladung anzunehmen. Wie sollte Gina es schaffen, einen ganzen Abend lang ihre Gefühle zu verbergen und sich freundschaftlich zu geben, während allein sein Anblick ihre Knie weich werden ließ? Andererseits war es die einzige und allerletzte Chance, Zeit in seiner Gesellschaft zu verbringen. Ihr blieben nur noch zwei Tage, um alles zu regeln, bevor sie endgültig nach London aufbrach.
„Meine anderen Pläne bestehen darin, die Wohnung von Grund auf zu reinigen“, gab sie matt zu. „Das kann gern warten.“
„Gut. Nicht weit von meinem Haus ist ein ausgezeichnetes kleines italienisches Restaurant. Magst du die italienische Küche?“
„Ich liebe sie.“
„Ich reserviere uns einen Tisch.“ Er holte sein Handy heraus und tippte eine Nummer ein. „Roberto?“, fragte er, gefolgt von raschem Italienisch.
Es war ihr neu, dass er diese Sprache beherrschte, doch es wunderte sie nicht.
„Das wäre geklärt.“ Harry lächelte sie an. „Acht Uhr. Ist es dir recht, wenn wir
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