Julia Extra Band 0294
übernehmen. „Willkommen auf Inis Mór.“
Doch Audrey klammerte sich an ihre große Segeltuchtasche wie an einen Rettungsring und starrte ihn nur stumm an. Ihn so … lebendig und umwerfend attraktiv vor sich zu sehen, während die Erinnerungen an ihre letzte Begegnung immer noch schmerzten, war einfach zu viel für sie.
Romain hob die Brauen und beschrieb mit der Hand einen großen Bogen. „Eine hinreißende Landschaft, finden Sie nicht auch?“
Audrey kannte die Insel und liebte sie sehr. Nicht weit vom Landeplatz entfernt, am Ende des Feldes, gab es ein Kliff. Tief unterhalb der steilen Küste schlugen die graugrünen Wellen des Atlantiks gegen die zerklüfteten Felsen.
Zum Glück wurde ihr erst jetzt bewusst, wie dicht der Helikopter vor dem Kliff gelandet war!
„Ah, Sie müssen Lucy sein!“, begrüßte Romain ihre Maskenbildnerin und eroberte mit seinem herausfordernden Lächeln das romantisch veranlagte Mädchen offensichtlich im Sturm. Audrey fühlte einen seltsamen Stich in der Brust und folgte den beiden, die unbefangen plaudernd auf einen Minibus zugingen, den sie zuvor gar nicht bemerkt hatte.
„Nein, Sie nicht, Audrey“, sagte Romain, als sie hinter Lucy einsteigen wollte.
Verwirrt wandte sie sich um. „Aber ich bin immer mit der Crew zusammen“, protestierte sie.
Er schüttelte den Kopf. „Diesmal nicht, Sie bleiben bei mir.“
„Aber …“ Der panische Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören und entlockte ihm ein sarkastisches Lächeln.
„… und dem Filmteam“, fügte er spröde hinzu.
„Oh …“ Audrey fühlte förmlich Lucys neugierigen Blick in ihrem Rücken und riss sich zusammen. „Also, dann bis morgen früh“, rief sie ihrer Maskenbildnerin freundlich zu. Sie wusste nur zu gut, wie hemmungslos am Set geklatscht wurde, und wollte nicht gleich nach ihrer Ankunft ins Kreuzfeuer geraten.
„In gut einer Stunde treffen wir uns alle zu einem formellen Briefing und heute Abend beim Dinner“, korrigierte Romain und winkte Lucy zum Abschied zu, ehe er Audreys Tasche ihrem verkrampften Griff entwand und zum Jeep hinübertrug. Als Audrey ihn eingeholt hatte, war ihr Gepäck bereits verstaut, und Romain hielt ihr die Beifahrertür auf.
„Normalerweise bin ich aber immer mit der Crew zusammen“, wiederholte sie noch einmal mit gepresster Stimme. „Die anderen werden sich wundern …“
„Angst vor Klatsch, Audrey?“
„Ich, nun … Ja !“, erwiderte sie defensiv. „Sie könnten vermuten …“
„Dass ich mich an Sie heranmache?“
„Nein, natürlich nicht!“, platzte Audrey spontan heraus und errötete leicht, weil sie genau das hatte sagen wollen. „Ob wohl … ich meine …“ Unter seinem spöttischen Blick wurde ihr ganz heiß. „Keine Angst, Monsieur de Valois , ich selbst weiß sehr gut, dass Sie sich niemals so weit herablassen würden, jemanden wie mich …“
Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie dicht sie zusammenstanden. Romain streckte die Hand aus und strich ihr mit einer nachlässigen Geste über die erhitzte Wange. „Wie es aussieht, haben Sie noch eine Menge zu lernen, was mich und meine Vorlieben betrifft, Miss Audrey Murphy …“
Damit ging er um den Wagen herum und schwang sich hinters Steuer. „Wollen Sie etwa den ganzen Tag dort stehen bleiben und die Aussicht genießen?“, rief er ihr aus dem Innern des Jeeps zu.
Romain schloss die Tür, blieb einen Moment stehen und fluchte lautlos in sich hinein, während er an die Frau hinter der Tür dachte, die für seine schlaflos verbrachten Nächte der letzten Woche verantwortlich war. Audrey Murphy.
Frustriert ballte er die Hände zu Fäusten.
Als er sie vor einer halben Stunde aus dem Helikopter steigen sah, flammte unversehens ein wildes Begehren in ihm auf, wie er es noch nie in seinem Leben verspürt hatte. Ihr offensichtliches Widerstreben, die Unterkunft mit ihm und dem Filmteam zu teilen, stachelte seinen Erobertrieb nur noch heftiger an, und als er dann noch ihre zarte Haut unter seinen Fingern spürte, hatte er sich zusammenreißen müssen, sie nicht gleich an Ort und Stelle zu verführen.
Das wäre allerdings eine Premiere gewesen, denn bisher hatte er sich noch nie von niederen Instinkten verleiten lassen, seine Selbstkontrolle zu verlieren.
In Romains Hinterkopf formierte sich ein dunkler, verschwommener Protest …
Jedenfalls nicht seit … damals , musste er sich widerwillig eingestehen. Aber das war schon so lange her. Und warum sollte er ausgerechnet Audrey
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