Julia Extra Band 0295
verschwunden. Als ich achtzehn war, bin ich ohne große Bedenken nach England gegangen und habe einen Job in einem der coolsten Klubs von London ergattert. Dabei war ich sicher nicht die Schönste dort. Ich hatte weder die größten Brüste noch die längsten Beine. Aber ich besaß so etwas wie die richtige Ausstrahlung. Banker, Anwälte, berühmte TV-Manager standen Schlange, um meine Telefonnummer zu bekommen.“
„Und Cal“, sagte Dan, als ob er sie daran erinnern müsste.
„Und Cal“, wiederholte Brooke und bemerkte, dass es wieder Dan gewesen war, der diesen Namen ins Spiel brachte. Sie sah, wie er mit gerunzelter Stirn auf eine DVD-Hülle starrte. „Ich habe meine ganze Energie darauf verwendet, zwei kleine Kinder aufzuziehen und Cals Leben zu organisieren, während er meist Tausende von Meilen entfernt von mir war. Wahrscheinlich ist mein Selbstvertrauen in der Zeit auf der Strecke geblieben. Jedenfalls konnte ich heute nicht einmal jemanden dazu bewegen, mich zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Ich sage dir, es ist deprimierend.“
„Alles Idioten.“
„Das denke ich auch. Aber vielleicht sollte ich meinen Lebenslauf aufbessern. Du könntest vorgeben, dass ich für dich gearbeitet habe, und mir ein Zeugnis ausstellen.“
„Warum nur vorgeben?“
„Ich dachte, du hättest diese Idee inzwischen aufgegeben. Denk daran“, sagte Brooke, „ich habe keine Erfahrung, kann nicht jederzeit zur Verfügung stehen und bin auch nicht mehr achtzehn.“
Dan legte eine DVD ein. „Ich brauche immer noch eine persönliche Assistentin. Dass du einen Killerinstinkt am Telefon besitzt, hast du mir heute bewiesen. Du kennst das Geschäft. Und allein mit deiner Anwesenheit machst du Lucille vielleicht so viel Druck, dass sie ein bisschen mehr Begeisterung zeigt.“
„Und was mache ich mit Lily?“
„Das leer stehende Büro gegenüber von meinem ist groß genug für einen Schreibtisch und eine Spielecke für Lily. In der Nähe der Agentur gäbe es auch mindestens drei Kindertagesstätten. Schließlich wohnen viele junge Familien in St. Kilda.“
Brooke atmete tief durch. Verflixt, er war so verführerisch …
Nein. Es war verführerisch. Was er vorschlug. Es hatte ihr Spaß gemacht, am Telefon mit dem jungen, ungezogenen Profisportler zu verhandeln. Außerdem gefiel ihr der Gedanke, in einer Branche zu arbeiten, in der sie sich auskannte und in der viele Leute von ihr wussten. Und damit könnte sie allen beweisen, dass mehr in ihr steckte und sie viel zu bieten hatte. Wenn ihr Selbstvertrauen einen Anstoß brauchte, um aus seinem Versteck zu kommen, war dieses Angebot geradezu ideal dafür.
„Ein wirklich verführerisches Angebot, Dan“, bedankte sie sich. „Aber du hast schon viel zu viel für meine Familie getan.“
Der Film begann. Dan setzte sich zu Brooke aufs Sofa, lehnte sich seitlich gegen die Armlehne, sodass er sie betrachten konnte. Brooke kannte diesen Krimi, kam jedoch nicht auf den Titel. Überhaupt konnte sie sich schlecht konzentrieren, wenn Dans Knie nur wenige Zentimeter von ihrem Bein entfernt war …
„Ich habe es nicht für deine Familie getan“, sagte Dan leise.
„Oh.“ Sie fühlte, wie ihre Wangen rot wurden. „Für Cal. Entschuldige, ich meinte auch für Cal.“
Vielleicht waren der betörende Zitrusduft und die gespannte Aufmerksamkeit dieses Mannes der Grund für das verwirrende Gefühlschaos in ihrem Innern. Sobald Dan in ihrer Nähe war, rieselten prickelnde Schauer über ihre Haut, ihr Magen geriet in Aufruhr, und ihre Hormone spielten völlig verrückt. Und all das nur wegen Dan.
Er schüttelte den Kopf. „Für Cal habe ich es auch nicht getan.“
„Oh.“ Schon wieder. „Oh“ drückte genau das aus, was sie fühlte. Besonders angesichts dieser goldbraunen Augen, die in dem gedämmten Licht durchdringend funkelten.
Wem versuchte sie etwas vorzumachen? Eine derartige Unruhe hatte sie in Gegenwart der anderen nett aussehenden und angenehm duftenden Männer, denen sie bisher begegnet war, nicht empfunden. Vor ihren Augen spazierte gerade Mel Gibson über die Leinwand, und es berührte sie nicht die Spur. Das passierte nur, wenn Dan in der Nähe war.
Dan, der ein paar Stunden zuvor ihr Gesicht umfasst und sie geküsst hatte. Ein Kuss zum Dank, aus einer Laune heraus. Nicht aus Liebe, Lust oder Leidenschaft. Aber in dem Moment hatte ihr Herz das ganz anders empfunden. Der Kuss hatte sie zutiefst berührt. Er hatte alle möglichen Gefühle in ihr geweckt, die sie
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