Julia Extra Band 0295
seiner Selbstkontrolle. Und das machte ihm Angst. Brooke hatte nämlich in keiner Weise angedeutet, dass sie ihn aus demselben Grund geküsst hatte wie er sie. Nach ihrem Kuss wusste er genauso wenig, was sie für ihn empfand, wie noch ein Stunde zuvor.
Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie ihn beobachtete. Sorge stand in ihren großen grünen Augen. Sie streckte eine Hand aus, um sie auf seine zu legen, die flach auf seinem Schenkel ruhte.
„Dan“, begann sie. „Ich …“
„Pst. Es ist schon okay.“
„Nein. Ist es nicht. Ich möchte nicht … Ich will dich nicht verlieren.“ Ihre Stimme zitterte ein wenig. „Ich will deine Freundschaft nicht verlieren. Nicht wegen etwas so Verrücktem wie diesem Kuss.“
„Du verlierst mich nicht, Brooke. Niemals. Das verspreche ich.“
Trotzdem – konnte er einfach alles riskieren für eine Frau, die anscheinend nicht bereit war, einen Schritt auf ihn zuzugehen? Immerhin stand nicht nur der Ruf seiner Firma, sondern auch seine freundschaftliche Treue Cal gegenüber auf dem Spiel. Andererseits musste er sie nur ansehen, um der Versuchung beinahe zu verfallen. Bei ihrem Anblick verspürte er tief in seinem Innern nur einen Wunsch: das zu nehmen, was sie bereit war zu geben.
Unter Tränen lächelte sie ihn an. „Ich weiß nicht, warum du bei mir bleiben willst, Dan. Ich habe schon so oft falsche Entscheidungen getroffen. Ich bin stur und aufbrausend. Ich bin nicht sehr ordentlich. Ich kann nicht kochen. Meine einzige sportliche Betätigung ist Yoga. Und ich bin ein gebranntes Kind, was Beziehungen angeht. Ich würde dir nichts als Kummer bereiten.“
„Möchtest du wirklich wissen, warum ich bei dir bleibe, Brooke?“, fragte er.
In seinem Innern setzte sich der Widerstreit fort. Er sollte lieber Rücksicht auf ihr erschüttertes Selbstvertrauen nehmen. In den vergangenen Monaten hatte sie ihren Mann, ihr Heim, ihren Lebensstil und die Menschen verloren, die sie für ihre Freunde gehalten hatte. Mit aller Kraft versuchte sie, ihr Leben unter Kontrolle zu bringen. Auf keinen Fall wollte Dan alles noch komplizierter für sie machen. Vielleicht sollte er sich ihr deshalb besser nicht so weit öffnen. Aber als sie ihm jetzt in die Augen schaute und schwieg, konnte er nicht anders. Er gab auf.
„Du bist liebevoll. Du bist fürsorglich und kümmerst dich aufopferungsvoll um alle, die du liebst“, sagte er. „Du bist temperamentvoll und zärtlich. Du bist humorvoll und überraschst mich immer wieder mit deinen Einfällen. Und wie könnte man sich nicht in deine großen grünen Augen verlieben?“
Einen Moment lang starrte Brooke Dan nur an.
Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Er gab endlich seinem Verlangen nach, legte einen Arm um sie und streichelte ihr über die Wange. Immer wieder.
Schließlich verflocht Brooke ihre Finger mit seinen. In diesem Moment meinte er, Tränen in ihren Augen zu sehen. Wenn sie weinte, wäre es um ihn geschehen. Er würde sich ihr ausliefern, sich von ihrer Gnade abhängig machen. Dann könnte sie ihn niemals respektieren, und das dürfte er ihr nicht einmal übel nehmen.
Entschlossen löste er seine Finger aus ihren und stand auf. „Ich halte es für das Beste, wenn wir den Film vergessen und Schluss machen für heute.“ Um nicht in Versuchung zu geraten, Brooke in die Arme zu nehmen und zu küssen, schob er die Hände in die Hosentaschen. „Sei um acht Uhr fertig. Du arbeitest doch ab morgen in meinem Büro, nicht?“
„Danke, Dan“, murmelte sie und sah ihm nach, als er den Raum verließ.
Sie hatte keine Ahnung, was eigentlich geschehen war. Aber sie wusste genau, dass von nun an alles anders sein würde.
Sie war nicht mehr die Frau mit dem angeschlagenen Selbstbewusstsein, nicht mehr das enttäuschte Opfer einer katastrophalen Ehe. Aber war sie wirklich die erotische Verführerin, die sich ohne Bedenken an Dan herangemacht hatte?
Nichtsdestotrotz hatte sie ihn tatsächlich geküsst, und er hatte ihren Kuss erwidert. Nichts würde sein wie vor dem Kuss. Heute Abend hatten sie beide eine unsichtbare Schwelle übertreten, und es gab kein Zurück.
Es kostete sie Mühe, ihrem Verlangen nicht einfach nachzugeben und ihm in sein Schlafzimmer zu folgen. Wie gern würde sie herausfinden, ob Dan halten würde, was seine verheißungsvollen Blicke und seine Berührungen versprochen hatten.
Aber das würde sie nicht tun. Sie konnte es nicht.
Denn eines war ihr bewusst: Wenn dieser Mann
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