Julia Extra Band 0295
dass du deine Frau und deine Kinder verlassen hättest.“
Er lächelte gequält. „Danke für dein Vertrauen, aber es gibt viele Möglichkeiten, sich zu entziehen, ohne davonzulaufen. Erst als es zu spät war, habe ich gelernt, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Erst als ich mit drei kleinen Kindern und einem Berg voller Schulden allein dastand, bin ich erwachsener geworden. Mir wurde bewusst, dass ich vor allem meine Vorstellung von Belinda liebte, die aus der Zeit unserer Jugend stammte. Ihre Depressionen hatte ich einfach ignoriert, weil sie nicht in mein Bild von ihr passten.“
„Deshalb hast du so lange gezögert, dich von ihr scheiden zu lassen, nicht wahr?“, fragte sie nachdenklich.
Noah zuckte zusammen. „Wohin ich auch schaue, entdecke ich Schuld. Richtig schlimm wurde es bei der dritten Schwangerschaft. So kurz nach Cillas Geburt wollte Belinda nicht wieder ein Kind. Sie sprach sogar von Abtreibung. Doch statt auf diesen Hilfeschrei einzugehen, fühlte ich mich persönlich herabgesetzt. Sie war eine gute Mutter, und ich glaubte, dass sie mit drei Kindern genauso gut fertig würde wie mit zweien. Die Kinder waren ihre Sache. Ich verdiente das Geld. Das fand ich völlig selbstverständlich.“ Seine Gesichtszüge wurden hart. „Ihre Depression ignorierte ich einfach. Sonst hätte ich mich ja verändern müssen, um ihr zu helfen.“
„Geben dir deine Schwiegereltern deshalb die Schuld am Verschwinden ihrer Tochter?“
„Ich denke, sie wussten von meiner Verweigerungshaltung. Belinda telefonierte jeden Tag mit ihrer Mutter. Dreimal in der Woche besuchte sie mit den Kindern ihre Eltern. Über ihre Gefühle wussten sie bestimmt mehr als ich. Ich hörte ihr ja nicht richtig zu.“
Jennifer schaute ihm in die Augen. Doch statt Selbstanklage entdeckte sie darin Entschlossenheit. „Warum erzählst du mir das gerade jetzt?“, fragte sie misstrauisch.
Er hielt ihrem Blick stand. „Damit du die Wahrheit über mich erfährst. Ich habe immer Fehler gemacht und werde auch in Zukunft welche machen. Als wir uns begegneten, war ich am Ende. Ich weiß nicht, wie es mir und den Kindern ohne dich und Joe ergangen wäre.“ Er nahm ihre Hände. „Aber das ist nicht der Grund, warum ich mit dir zusammenleben möchte. Das weiß du.“ Er schaute ihr tief in die Augen. „Bitte heirate mich, Jennifer. Nicht, weil die Kinder dich brauchen. Nicht, weil ich dich brauche. Sondern weil du den Rest des Lebens mit mir zusammen sein willst. Weil du mich liebst, so, wie ich dich liebe.“
Das Zittern ihrer Hand wurde immer schlimmer. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie bekam keine Luft. Traum und Albtraum verschmolzen. Versuchung und Verzweiflung zerrissen sie. „Ich kann nicht, ich kann nicht“, murmelte sie. „Das habe ich dir doch schon gesagt.“
Noah ertrug es mit Fassung. „Ich war wohl wieder zu voreilig, nicht wahr?“, sagte er mit einem bedauernden Lächeln. „Am Ende der Woche werde ich dich noch einmal fragen.“
„Meine Antwort wird dieselbe sein.“
„Aber du liebst mich doch, oder?“
Sie wusste nur, dass sie ihn nicht heiraten durfte. Hilflos schüttelte sie den Kopf.
„Weißt du überhaupt, was du für mich empfindest?“ Seinem Blick nach hielt er sie für verwirrt. „Ich glaube nämlich, dass ich dir doch etwas bedeute, Jennifer. Du willst dir deine Gefühle nur nicht eingestehen, weil du Angst vor Verletzungen hast.“
Sie zwinkerte die Tränen fort. „Ich darf und will nicht wieder heiraten.“ Seit dieser Mann und seine Kinder in ihr Leben getreten waren, weinte sie wieder viel zu viel. Jahrelang war das nicht geschehen.
„Weil du dir dann wieder ein Baby wünschst? Möchtest du ein Baby von mir, Jennifer?“
Ja, ja, ja. Mehr als alles andere auf der Welt.
Die Wahrheit schmeckte bitter. Es war schwer, sie zu schlucken. Eben noch hatte sie nicht beantworten können, ob sie Noah liebte. Nun wusste sie es.
Sie liebte ihn. Wahrscheinlich schon lange. Vielleicht vom ersten Augenblick an. Aber sie hatte es nicht wahrhaben wollen. es bedrohte ihr mühsam errungenes inneres Gleichgewicht. Dahinter lauerte die Trauer wie ein Gespenst. Die Liebe zu leugnen war für sie eine Frage der Selbsterhaltung gewesen.
Sie liebte Noah mehr als irgendjemanden sonst auf der Welt, und sie hing an seinen Kindern. Ja, sie liebte sie. Fast so sehr, wie sie Cody geliebt hatte.
Konnte das gut gehen? Reichte diese Liebe, um alle glücklich zu machen? Konnte sie Noahs Kindern eine gute Mutter
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