Julia Extra Band 0295
sein, ohne sich nach mehr zu sehnen? Oder würde das, worauf sie keinen Einfluss hatte, alle ins Unglück stürzen?
Diese wunderbare Familie verdiente keine unvollkommene Liebe. Wenn Noah sie jetzt berührte, wenn er ihr wieder sagte, dass er sie liebte, dann würde sie …
… brechen .
Sie hatte gehört, wie Uncle Joe dieses Wort im Gespräch mit Noah gebrauchte. Es passte. Offenbar kannte ihr Onkel sie gut, und auch ihre Situation hatte er richtig eingeschätzt.
Noah und seine Kinder waren ihre Welt geworden. Das machte ihr Angst.
„Jennifer?“ Sanft und mitfühlend schlich sich seine Stimme in ihr Bewusstsein und beruhigte ein wenig den Tumult ihrer Gefühle. „Es ist nicht so schwer, wie du glaubst. Wir schaffen es.“
Das Sprechen war ihr unmöglich. Sie schüttelte den Kopf. Es war eben nicht alles machbar.
„Denk darüber nach, Jennifer! Warum können wir nicht alle zusammen glücklich sein? Reicht Liebe denn nicht? Ich weiß, dass du mich liebst. Und die Kinder liebst du auch.“
Es gab nichts zum Nachdenken, außer dass sie Noah liebte und ihn verlor. Ja, sie liebte auch seine Kinder, aber vielleicht nicht genug. Sie verdienten eine Mutter, nicht eine Frau, die sie nur fast so sehr liebte wie eigene Kinder und sie als Lückenbüßer nahm für die Babys, die sie nicht bekommen durfte …
Als Jennifer immer blasser wurde und ihre Augen immer ängstlicher schauten, schob Noah seinen noch vollen Teller beiseite. Mit seiner Ungeduld hatte er alles verdorben.
Was hatte er eigentlich für eine Antwort erwartete, als er Jennifer fragte, ob sie sich ein Baby von ihm wünschte? Er war zu weit gegangen. Ihren Blick voller quälender Sehnsucht und Verzweiflung würde er niemals vergessen.
Teilen konnte er diesen Schmerz mit ihr nicht, so wenig, wie sie den Schmerz über Belindas Verschwinden mit ihm teilen konnte. Denn obwohl er Vater von drei Kindern war, konnte er sich nicht vorstellen, wie es war, ein Kind zu verlieren.
Daran hätte er denken müssen. Jennifer war immer einfühlsam und rücksichtsvoll zu ihm gewesen, und er, er hatte sich selbstherrlich benommen, als könnte er Wunder bewirken.
Ihr Blick hatte ihm gezeigt, wie sehr sie ihn liebte, mehr als sie ihm bisher gezeigt hatte. Das wusste er nun, wie sie es wusste. Sie liebte auch seine Kinder, und seine Kinder liebten sie.
Nein, Liebe war wirklich nicht das Problem.
Das Sich-abfinden war es. Tim musste sich damit abfinden, dass seine Mutter nicht mehr da war und es eine Frau gab, die die Mutterstelle vertreten konnte, weil sie ihn und seine Geschwister liebte. Jennifer hatte zwar akzeptiert, dass sich ihr Lebenstraum nicht erfüllen ließ, aber gegen die Liebe stellte sie sich taub. Sie hielt das, was sie alle miteinander verband, nicht für groß und stark genug.
Wenn sie nur zustimmte, könnten sie eine Familie werden.
Dafür musste sie umdenken. Und das erforderte Zeit. Es war dumm gewesen, sie zu bedrängen. Manchmal machten Liebe und Sehnsucht unvernünftig. Dabei wollte er sie doch glücklich machen, seine schöne, selbstlose Jennifer. Er wollte sie trösten, ihr signalisieren, dass er warten konnte.
Da klingelte sein Handy. Mit einem Ton, den er für Anrufe von der Polizei vorprogrammiert hatte. Panisch riss er denn Apparat ans Ohr. „Was ist passiert? Die Kinder?“
Dann fuhr ihm Eiseskälte in die Glieder.
Jennifer war es ganz lieb, dass sie unterbrochen wurden, und wandte sich ab, damit Noah ungestört sprechen konnte.
Sie verachtete sich. Aber wie sollte sie sich ändern? Solange das Gedächtnis funktionierte, war Vergessen keine Lösung. Obwohl es verlockend war, diesen Schmerz auf diese Weise loszuwerden …
Denkst du wirklich auch an die Kinder, Noah? Oder schiebst du ihre Bedürfnisse einfach beiseite, wenn es um mich geht?
Sie konnte und wollte die Kinder nicht außer Acht lassen. Nicht nur Noah, auch seine Kinder hatten ihr Leben verändert und ihm wieder Sinn gegeben. Sie hatten sie aus ihrem selbstgenügsamen, langweiligen Leben gerissen. Und obwohl sie so bedürftig waren, hatten sie ihr mehr geschenkt als Jennifer ihnen. Und Noah …
Sie schloss die Augen und kämpfte gegen die Übermacht ihrer streitenden Gefühle. Wenn er …
„Jennifer.“
Alarmiert fuhr sie herum. „Ja?“ Sein Gesicht war leichenblass, seine Augen blickten starr. „Was ist los? Bitte, nichts mit den Kindern …“
Er antwortete nicht. Hatte er sie überhaupt gehört? Schließlich öffnete er den Mund. „Sie haben Belinda
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