Julia Extra Band 0297
anderem erfuhr. Aber nicht heute. „Mach dir darüber keine Gedanken“, meinte er leichthin. „Hast du nicht gesagt, du bist müde, Alice?“
Sie war sich nicht sicher, ob es an seinem anscheinend aufrichtig besorgten Tonfall lag, dass es ihr plötzlich ganz leicht fiel, sich zu entspannen und von Kyros beschützen zu lassen. Außerdem hatte er in Bezug auf ihre Müdigkeit absolut recht. Sie war hundemüde. Teilweise war die Anspannung während der Hochzeit der Grund dafür, teilweise aber auch die unzähligen Male, die sie einander während der Reise in die Flitterwochen geliebt hatten.
Im Wagen auf dem Weg zum Flughafen.
Im Flugzeug. Und das nicht nur einmal! Kyros hatte ihre lustvollen Schreie mit stürmischen Küssen ersticken müssen. Hoch in den Wolken mit ihm zu schlafen hatte sich als die erotischste Erfahrung ihres Lebens herausgestellt.
Seltsam war nur, dass sich seine Stimmung danach geändert hatte. Plötzlich schien er von einer Aura der Melancholie umgeben zu sein. Zärtlich streichelte sie über sein Haar, was er ohne spöttische Bemerkung zuließ. Gerade wollte sie ihn fragen, was denn los sei, als der Pilot sich mit der Ankündigung meldete, sie würden gleich landen. In der folgenden Hektik, ihre Kleider wieder in Ordnung zu bringen, hatte sich das seltene Gefühl von Zweisamkeit verflüchtigt.
Jetzt schloss Kyros den Wagen ab und blickte zum Haus empor.
„Soll ich dir helfen, die Koffer hineinzutragen?“, bot Alice an.
„ Ohi. Nein. Darum kümmert sich schon jemand. Die Tage, in denen du deine Koffer selbst tragen musstest, Alice, sind vorbei.“
Unwillkürlich erschauerte sie. Es kam ihr so vor, als spräche er gar nicht von ihr, sondern über eine fremde Person, die sie nicht kannte. Eine Frau, die nicht länger ihre Koffer tragen musste …
In diesem Moment vernahm sie ein Geräusch hinter sich. Sie wirbelte herum und sah sich einem Paar mittleren Alters gegenüber, das aus der Villa gekommen war und sich ihnen lächelnd näherte. Das musste das Haushälterehepaar sein, von dem Kyros ihr erzählt hatte. Die beiden kümmerten sich um alles, wenn er sich auf Geschäftsreise befand.
„Alice, ich möchte dir Sophia und Yiannis vorstellen“, meinte Kyros und fügte rasch etwas auf Griechisch hinzu. Dann wechselte er zurück ins Englische. „Sophia übernimmt das Kochen, und Yiannis beaufsichtig die Gärtner.“
Beaufsichtigt die Gärtner? Wie viele davon gab es denn? Reichlich verwirrt schüttelte Alice die ihr dargebotenen Hände.
„ Kalispera“, grüßte sie.
„Wir heißen Sie herzlich willkommen, Kyria Pavlidis“, erwiderte Sophia, und Alice wunderte sich ein wenig, warum die ältere Frau sie so argwöhnisch musterte. Oder bildete sie sich das nur ein?
Wie eine fügsame Ehefrau verhielt sie sich still, während Kyros und Sophia sich kurz unterhielten. Doch als Kyros schließlich einen Arm um sie legte und an sich zog, schmiegte sie sich erleichtert an seinen starken Körper.
„Sollen wir ins Haus gehen, Alice?“
„Ja, bitte.“
Kyros glaubte, sie noch nie so süß und verletzlich gesehen zu haben wie in diesem Moment. Es versetzte ihm einen Stich mitten ins Herz. Seine Miene jedoch blieb unverändert, als er nach ihrer Hand griff.
Vor der Haustür blieb er stehen, hob Alice ohne Vorwarnung auf die Arme und trug sie über die Schwelle.
„Kyros! Was tust du denn da?“
„Weißt du das nicht? Ich trage dich über die Türschwelle, so wie es die Tradition verlangt.“
„Doch nicht die griechische, oder?“
„Du lieber Himmel, nein. Hier gibt es keine bösen Geister, die unter der Erde wohnen wie in England.“ Seine Stimme wurde sehr weich. „Das würde ich niemals erlauben.“
Ihr wurde ganz schwindelig von seinen Worten. Von Kyros getragen zu werden war ein himmliches Gefühl, vor allem da er auf sehr sinnliche Weise ihren Po streichelte.
„Es ist so kühl hier“, meinte sie und schaute sich im Eingangsbereich der Villa um, nachdem Kyros sie sacht hatte zu Boden gleiten lassen. Der gesamte Fußboden war mit prachtvollem Marmor ausgelegt. Sie schlüpfte aus ihren Sandalen, um die Kühle unter ihren bloßen Füßen zu spüren.
„Das liegt daran, dass die Wände der Häuser auf der Insel sehr dick sind. So halten sie die Hitze des Sommers fern. Die Winter können hier allerdings streng sein. Deshalb gibt es mehrere Kamine im Haus.“
„Kamine? In Griechenland?“ Alice schüttelte den Kopf. „Oh, Kyros, es gibt so viel, das ich nicht weiß. So viel,
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