Julia Extra Band 0297
Ehering!“, rief Kirsty aus und griff nach Alices linker Hand, um den goldenen Ring an ihrem Finger zu untersuchen.
„Eine griechische Tradition“, erklärte Alice rasch. „Wenn ein Paar sich verlobt, tragen der Mann und die Frau ihre Eheringe am linken Ringfinger. Nach der Hochzeit wechselt man sie an die rechte Hand.“
„Also auch kein Verlobungsring“, stellte Kirsty enttäuscht fest.
„In Griechenland handhaben wir die Dinge anders“, rief Kyros, der die letzten Worte gehört hatte. „Unsere Bräuche unterscheiden sich von den englischen.“
Plötzlich fröstelte Alice. Hatte sie sich den kalten Lufthauch nur eingebildet? Oder war es Ausdruck einer inneren Erkenntnis, dass sie eigentlich keine Ahnung hatte, worauf sie sich eingelassen hatte? Auch wenn sie in einem eleganten Hotel heirateten, bald würde sie England verlassen und dafür eine Insel betreten, deren Kultur ihr noch nie so fremd vorgekommen war wie in diesem Moment.
„Hallo, Alice, thespinis mou“, sagte Kyros. Das anerkennende Funkeln in seinen Augen ließ all ihre Zweifel verschwinden.
Mit seltsam formaler Geste wandte er sich an ihre Eltern. „In meinem Heimatland entspricht es ebenfalls der Tradition, den Vater der Braut am Tag ihrer Hochzeit um ihre Hand zu bitten.“
Es entstand eine kurze Pause, dann lächelte ihr Dad. „Und die sollen Sie bekommen, Kyros. Zusammen mit meinem Segen. Ich verlange nur, dass Sie sich anständig um meine Tochter kümmern.“
Die beiden Männer wechselten einen langen Blick. „Darauf gebe ich Ihnen mein Wort, Sir.“
Später konnte Alice sich nur verschwommen an die Zeremonie erinnern. Vor allem wegen der vielen griechischen Elemente empfand sie fortwährend ein Gefühl der Unwirklichkeit. Anschließend wurde Champagner gereicht, den Alice ablehnte, und kleine Häppchen, auf die sie keinen Hunger hatte.
„Meine Ehefrau“, sagte Kyros mit seidenweicher Stimme, ergriff ihre Hand und presste sie gegen seine Lippen. „Du siehst bezaubernd aus.“
„Danke.“
Ihm gefiel, wie sie die Lider senkte, als spiele sie die Rolle der sittsamen Gattin. Wollte sie ihm so ihr Verlangen und ihre Leidenschaft verbergen? Er senkte die Stimme. „Ich kann es kaum erwarten, mit dir alleine zu sein.“
„Ich auch nicht“, entgegnete sie und hoffte, ihre Worte klangen halbwegs überzeugend. Ein ungutes Gefühl überkam sie. Gleich würde sie an Bord eines großen Flugzeugs gehen, das sie weit, weit fort trug. Es ist doch nur Griechenland, sagte sie sich immer wieder. Nicht der Mars!
Kurz vor der Abfahrt flüchtete sie – glücklicherweise unbemerkt von Eltern und Freunden – in eines der oberen Zimmer, um sich umzuziehen. Die Fassade von Normalität aufrechtzuerhalten erwies sich als harte Arbeit. Mittlerweile wünschte sie nichts sehnlicher, als all den neugierigen Blicken zu entkommen.
Als sie sich wieder zu den Gästen gesellte, hatte sie die Kamelienblüten aus den Haaren entfernt und das Organzakleid durch ein schlichtes rotes Kleid aus Seide ersetzt.
Ob Kyros wusste, dass die Farbe Rot für Liebe und Treue stand? Einige griechische Mädchen trugen zur Hochzeit sogar rote Schleier, hatte sie gelesen. Verstand er die Botschaft, die sie ihm damit übermitteln wollte? Aber er sagte nichts.
An Kyros’ Schläfe pochte eine Ader, als sie sich auf den Weg zum Flughafen machten. Der Tag hatte sich schwieriger als erwartet herausgestellt. Und der Anruf aus Kalfera machte es auch nicht leichter.
Er wandte sich zu Alice um. Selbst in dem schwachen Licht der Limousine wirkten ihr Gesicht blass und ihre grünen Augen riesig. Sie ist wunderschön, dachte er.
Zärtlich strich er mit einem Finger über ihre Lippen. „Glücklich?“, fragte er.
Die traditionelle Frage eines Bräutigams an seine Braut. Auf Alice wirkte sie jedoch völlig fehl am Platz. Hatte sie ihm nicht dieselbe Frage gestellt, als sein Bruder geheiratet hatte? Und klang ihr nicht noch immer seine beunruhigende Antwort in den Ohren?
Jeder kann für eine Weile glücklich sein. Wer weiß schon, ob es halten wird.
„Natürlich bin ich glücklich“, entgegnete sie mit einem gezwungenen Lächeln. Ihr Gesicht schmerzte bereits, weil sie dieses falsche Lächeln jetzt schon seit Stunden aufgesetzt hatte. „Nur ein bisschen müde, das ist alles. Wie lange dauert es, bis wir Kalfera erreichen?“ Sie starrte aus dem Fenster. „Ist dir schon aufgefallen, dass es nach Heathrow in die andere Richtung geht?“
„Wir fahren ja auch nicht nach
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