Julia Extra Band 0297
weinen können … oder ihn schlagen. Aber was hatte sie anderes erwartet? Mit nahezu peinlicher Widerstandslosigkeit war sie in seine Arme gesunken und seinem Zauber verfallen. Ein leidenschaftlicher Kuss, und sie hatte kapituliert. Gegen die körperliche Anziehungskraft, die sie an ihn band, war sie machtlos.
Langsam schlug sie die Augen auf. Kyros stand nackt am Fenster. Die hereinströmenden Sonnenstrahlen tauchten seinen Körper in warmes Licht. Hinter seiner Silhouette konnte sie das azurblaue Meer sehen, darüber den wolkenlosen Himmel. Einen besseren Ort für Flitterwochen gab es wohl kaum. Alles hätte perfekt sein können.
Nur dass sie sich wie ein Puzzle fühlte, in dem ein herzförmiges Stück fehlte.
Eingehend betrachtete Alice ihren Mann. Er glich einer makellosen Marmorstatue, die man für gewöhnlich in Museen bewundern konnte. Breite Schultern, schmale Hüften, ein fester Po, muskulöse Beine. Ein niedlicher weißer Streifen markierte die Stelle, die eine Badehose vor der Sonne verborgen hatte.
Auf einmal verspürte sie den Wunsch nach einem weiteren unbeschwerten Tag … so wie vorgestern, als Kyros ihr beim Schwimmen zugesehen hatte. Damals schien die Welt noch in Ordnung gewesen zu sein.
Kyros drehte sich um. Ein zufriedenes Funkeln trat in seine Augen, als sein Blick über Alices blonde Haare glitt, die ihren Kopf wie ein goldenes Kissen umgaben. „Endlich bist du aufgewacht, meine Schöne.“
„Offensichtlich.“
Er lachte. „Na, na, sei nicht sauer, süße Alice. Ich hätte gedacht, all die sinnlichen Freuden, die ich dir letzte Nacht bereitet habe, hätten dich in eine sonnigere Stimmung versetzt.“
„Du liegst falsch, wenn du glaubst, dass …“
„Dass was, glyka mou?“
Sie wich seinem Blick aus. „Dass eine Menge Sex alles wiedergutmachen kann.“
Nachdenklich sah Kyros sie an. Insgeheim jedoch verspürte er eine gewisse Enttäuschung. Warum konnte sie nicht erkennen, was unmittelbar vor ihr lag? Nämlich dass die Chemie zwischen ihnen einfach stimmte. War sie so stur, dass sie einen Streit vom Zaun brach, nur weil das Leben sich nicht ihren idealistischen Vorstellungen beugte?
Er ging zu ihr und verfolgte belustigt, wie ihr Blick unweigerlich von seiner Körpermitte angezogen wurde.
„Was … was tust du denn da?“, fragte sie panisch, als er sich zu ihr hinunterbeugte.
„Ich küsse dich, um dir einen guten Morgen zu wünschen.“
Hastig wandte sie den Kopf ab. „Bitte, nicht.“
„Sicher?“ Sacht streifte er ihren Nacken mit den Lippen.
„Ja.“
„Ganz?“
„Kyros …“
„Schh.“ Er zog ihr die Decke aus den willenlosen Händen und legte sich neben sie. „Hör auf, dagegen anzukämpfen. Wehr dich nicht gegen deine Sehnsucht. Du weißt, du willst mich.“
Alice öffnete den Mund, um zu widersprechen. Doch diese Lüge wurde niemals von der Welt vernommen, denn Kyros suchte sich genau diesen Moment aus, um ein schnelles und sehr erfolgreiches Spiel der Verführung zu beginnen. Am Ende hätte sie ihm fast flüsternd gestanden, dass sie ihn liebte. Im allerletzten Augenblick hielt sie sich zurück und biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge. Schließlich liebte sie ihn ja gar nicht. Bestimmt nicht!
Schließlich drehte sie sich auf die Seite und wandte ihm den Rücken zu.
„Was ist los, Alice?“, fragte Kyros und spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. „Bist du wütend auf mich? Oder auf dich?“
„Nein, nur müde. Das ist alles.“ Zweimal, gestern Nacht und vorhin, war sie ihm unterlegen, als ihr Wille gegen seinen stand. Denn sobald er sie zärtlich berührte oder küsste, war es um sie geschehen. Aber jetzt auch noch seine zufriedene Miene zu sehen war ihr unerträglich.
„Dann schlaf noch ein bisschen“, meinte er. „Es gibt keinen Grund für dich aufzustehen. Ich werde den Tag in der Bank verbringen und mich um den lästigen Papierkram kümmern.“ Mit einer Hand fuhr er über ihre Hüften und ließ seinen Daumen um den Knochen kreisen, der unmittelbar unter der seidigen Haut lag. „Und keine selbstauferlegten Hungerstreiks mehr, agape mou. Ich will nicht, dass du vor meinen Augen verschwindest.“
Alice gab keine Antwort. Während er sich anzog, tat sie, als würde sie schlafen. Sogar als er noch einmal ans Bett trat, atmete sie ruhig und gleichmäßig weiter.
Kyros schaute zu ihr hinunter. Glaubte sie wirklich, sie konnte ihn täuschen? Ebenso wenig hatte er ihr auch nur eine Sekunde abgenommen, sie würde ihn nicht
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