Julia Extra Band 0297
nicht zur Tierärztin ausbilden lassen solltest.“
„Khalid“, keuchte sie. „Das ist wundervoll. Danke.“
Für ihn war es ein merkwürdiges Gefühl, mit verhältnismäßig wenig Aufwand so viel Freude auszulösen. „Es freut mich, wenn du fröhlich bist, Kleines“, sagte er etwas unsicher. „Es wäre wirklich besser für dich gewesen, wenn du nach dem Tod deiner Mutter nicht bei deinem Vater geblieben wärst. Gab es denn keine anderen Verwandten, die dich hätten aufnehmen können?“
Ihr Lächeln gefror. „Meine Mutter ist nicht gestorben, Khalid“, brachte sie nach ein paar Schrecksekunden mühsam hervor. „Jedenfalls nicht dass ich wüsste.“
Im Stillen ärgerte er sich darüber, voreilige Schlüsse gezogen zu haben. Er wollte keine alten Wunden aufreißen und Maggie wehtun. Ratlos legte er eine Hand auf ihre Schulter.
„Was ist geschehen?“, wollte er wissen.
Sie ließ den Kopf hängen. „Sie ist gegangen. Einfach abgehauen. Als ich acht war, kam ich eines Tages nach Hause, und sie war fort.“
Und ließ Maggie mit ihrem rücksichtslosen Vater allein …
Khalid konnte die Bitterkeit hinter ihren tonlosen Worten kaum ertragen. „Es tut mir so schrecklich leid, Maggie.“
Es waren die falschen Worte zur falschen Zeit – sie kamen viel zu spät. Wie reagierte man am besten auf ein so unfassbares Schicksal?
„Seitdem habe ich nichts mehr von ihnen gehört“, flüsterte sie abwesend.
„Von ihnen?“ Was war ihm entgangen? „Maggie? Von wem sprichst du?“
Traurig sah sie ihn an. Khalid konnte keine Träne in ihren Augen erkennen. Aber die Art, wie sie ergeben ihr Schicksal akzeptierte, war weitaus schlimmer zu ertragen, als Maggie weinen zu sehen. Khalid fühlte sich hilflos.
„Als sie uns verließ, ging meine Mutter nicht allein. Sie nahm Cassie mit, meine kleine Schwester.“ Stockend rang sie nach Luft. „Nur mich hat sie zurückgelassen.“
„Maggie.“ Entschlossen zog er sie auf seinen Schoß und wiegte sie behutsam in seinen Armen, in der Hoffnung, die Bewegung und seine tröstenden Worte könnten sie beruhigen.
Für ihn war es unvorstellbar, was sie durchgemacht hatte. Zurückgewiesen, allein gelassen und ausgenutzt – und das von der eigenen Familie. Maggie war viel zu früh gezwungen gewesen, erwachsen und unabhängig zu werden.
Kein Wunder, dass sie seinem Heiratsantrag so schnell zugestimmt hatte. Maggie wollte ihrem Kind wenigstens geordnete Verhältnisse garantieren, ihm die Sicherheit schenken, die ihr verwehrt geblieben war.
Er zog sie noch enger an sich und atmete den Duft ein, nach dem er inzwischen süchtig war: eine Mischung aus Rosen und Maggie. Es war nun Khalids Aufgabe, sich um sie zu kümmern. Aber es fühlte sich nicht nach Verantwortung an, es war viel mehr als das. Etwas viel Bedeutsameres, das er nicht näher zu definieren vermochte. Er konnte sie einfach nicht leiden sehen.
„Wir werden sie finden“, versprach er.
Doch Maggie schüttelte den Kopf. „Das wird kaum möglich sein. Ich habe es bereits versucht, aber vermutlich haben sie ihren Namen geändert. Als ich es mir endlich leisten konnte, habe ich sogar einen Privatdetektiv beauftragt.“
„Dann werden wir einen besseren engagieren. Ganz gleich, wie lange es dauert, irgendwann finden wir sie.“ Sanft strich er über ihre Wange.
„Danke, Khalid.“ Ihr Seufzer traf ihn wie ein Pfeil mitten ins Herz.
Maggie kannte Khalid inzwischen gut genug, um zu wissen, dass man sich auf sein Wort verlassen konnte. Eines Tages würde er ihre vermisste Familie aufspüren, daran hatte sie keinerlei Zweifel. Und diese Gewissheit vermittelte ihr inneren Frieden – Khalid hatte ihr Hoffnung geschenkt.
Obwohl sie nur eine Zweckehe führten, hatte ihr Ehemann Maggie ein kostbares Versprechen gegeben. Eines, das nichts mit ihrem gemeinsamen Kind zu tun hatte. Und dieses Versprechen bedeutete ihr mehr als alles andere, was sie im Leben jemals erreicht hatte.
Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
„Maggie? Glaub mir, es wird alles gut werden.“
„Ich weiß.“ Sie setzte sich aufrecht hin. „Ich glaube dir.“
Lange sahen sie sich schweigend in die Augen. „Familie ist wichtig“, sagte er schließlich. „Auch sie macht uns zu dem, was wir sind.“
„Du verstehst mich wirklich“, stellte sie leicht verwundert fest.
Während ihres ganzen Lebens hatte sie sich verloren und einsam gefühlt, trotz ihrer familiären Verpflichtungen. Vielleicht würde sie endlich mit der Vergangenheit abschließen
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