Julia Extra Band 0301
hatte. Ein letzter Schrei von Eileen durchschnitt die Luft. Und dann sah er ein Büschel pechschwarzer Haare … Was für ein Wunder!
Und als ihm das kleine, zappelnde Bündel in ein Tuch gewickelt in die Arme gelegt wurde, sah Gianluca zu seinem Sohn hinunter, und das Herz ging ihm über vor Liebe.
10. KAPITEL
„Darf ich unseren Sohn tragen?“
„Gern.“ Eileen sagte sich, dass es nur fair sei, Gianluca teilhaben zu lassen. Also reichte sie ihm vorsichtig das Baby und hoffte, ihr Gesichtsausdruck würde nicht verraten, wie ängstlich sie dabei war. Im Gegensatz zu ihr, schien Gianluca im Kinderbetreuen allerdings ein Naturtalent zu sein. In seinen starken Armen, mit denen er das Baby so erstaunlich zärtlich hielt, sah es noch winziger aus.
Jetzt strich er dem Kind mit der Fingerspitze über die Wange und murmelte leise etwas auf Italienisch, bevor er auf Englisch an Eileen gewandt fortfuhr: „Der Wagen steht draußen. Kannst du bis dahin gehen?“
„Ja, kein Problem.“
Sie sprachen wie Fremde miteinander, und auf der Fahrt ins Apartment zurück herrschte Schweigen, nur gelegentlich von den Schmatzlauten des Babys unterbrochen. Vielleicht war Gianluca ja genauso von der Anwesenheit des Chauffeurs gehemmt wie sie. Oder vielleicht lag es einfach nur an den beengten Verhältnissen im Wagen, die dazu führten, dass sie kein Wort miteinander wechselten. Eileen wusste nur, dass sie beim Verlassen des Krankenhauses in den für diese Jahreszeit völlig ungewöhnlichen Nieselregen geraten war und seitdem zitterte.
Bei der Rückkehr in ihr Apartment konnte sie sich gar nicht darüber freuen, wieder zu Hause zu sein. Irgendwie wirkte es so unbewohnt und leer, obwohl sie nur etwas mehr als einen Tag fort gewesen war.
„Soll ich ihn in seine Wiege legen?“, fragte Gianluca.
Sie nickte. „Er dürfte eigentlich noch nicht wieder hungrig sein. Ich habe ihn gestillt, bevor wir losgefahren sind. Ich mache uns inzwischen Kaffee.“
Nicht dass sie ein Gelüst darauf gehabt hätte, und Gianluca wohl auch nicht. Aber sie brauchte etwas, um sich und ihre Gedanken zu beschäftigen – Hauptsache, sie musste sich nicht überlegen, wie es jetzt weiterginge. Langsam zog sie den Regenmantel aus und hängte ihn wie ferngesteuert an die Garderobe. Dann machte sie sich daran, den Kessel aufzusetzen.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, so etwas Normales zu tun, wie Kaffee zu kochen. Eileen musste sich regelrecht zwingen, um sich an die einzelnen Schritte zu erinnern. Es war, als hätte sie die Erfahrung der Geburt allem anderen entrückt und dazu geführt, dass sie die Welt jetzt mit neuen Augen sah. Ein Wasserkessel war nicht mehr nur ein Wasserkessel. Über Nacht war daraus ein Ding geworden, an dem sich das Baby verletzen konnte!
Als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte, stand Gianluca an der Terrassentür und sah auf den verregneten Garten hinaus.
Heute trug er Freizeitkleidung, und sein dunkles Haar war zerzaust und auch ein wenig länger als normalerweise. Beinah schuldbewusst ließ sie den Blick über ihn gleiten – als seien sexuelle Fantasien nun, da sie ihre neue Rolle als Mutter übernommen hatte, tabu. Eileen schluckte vergebens, um die drohenden Tränen zurückzudrängen. Wie merkwürdig, dass ihr das Herz immer noch übergehen konnte, vor Sehnsucht nach der Liebe, die er ihr niemals schenken würde. Denn seitdem die Wehen begonnen hatten, herrschte zwischen ihnen lediglich steife Höflichkeit.
Nur mit Mühe gelang es Eileen jetzt, sich ein Lächeln abzuringen. „Möchtest du eine Tasse Kaffee?“
Er drehte sich um, und der Zug um seinen Mund verhärtete sich. „Was ich wirklich möchte, Eileen“, antwortete er, wobei es in seinen dunklen Augen gefährlich funkelte, „ist, dass wir einige Weichen für die Zukunft stellen.“
Erschrocken sah sie ihn an. „Kann das nicht noch warten.“
„Bis wann? Bis unser Sohn sechs Monate alt ist? Oder ein Jahr? Bis du zu dem Schluss kommst, dass du bereit bist, mit mir darüber zu sprechen? Aber hier geht es nicht mehr nur um dich, Eileen. Du hast es mir verwehrt, an der Schwangerschaft teilzuhaben, aber länger hältst du mich nicht aus seinem Leben heraus. Wir sind jetzt zu dritt – und an diesen Gedanken gewöhnst du dich am besten sofort.“
Zu dritt? Wie ironisch, in diesem Zusammenhang zu hören, was sie sich am meisten wünschte: eine Familie, die sie selbst als Kind nie gehabt hatte. Und jetzt schien es ganz so, als ob sich ihre Vergangenheit wiederholen
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