Julia Extra Band 0302
wandte er sich um und ging.
Wenig später setzte sich Marsha mit beunruhigtem Blick wieder auf den Stuhl neben ihrem Bett.
„Dieser Mann liebt dich! Das kann jeder sehen. Und du liebst ihn auch. Warum hast du ihn fortgeschickt, Aimi?“
Aimi seufzte und lächelte ihre Mutter traurig an. „Ich hatte vergessen, dass ich jemandem ein Versprechen gegeben hatte. Doch jetzt werde ich mich wieder daran halten, und alles wird gut.“ Ihre Augenlider flatterten, und sie seufzte erneut. „Ich bin müde, ich würde gern schlafen.“
Marsha lehnte sich in dem Stuhl zurück. Ein Schauer lief über ihren Rücken. Sie hatte das entsetzliche Gefühl zu wissen, was ihre Tochter meinte, und das erschreckte sie zutiefst. Wie erleichtert war sie letzte Nacht gewesen, Aimi nach so vielen Jahren endlich wieder glücklich zu sehen. Nun würde Marsha alles dafür tun, dieses Glück zu retten. Sie würde dafür kämpfen, wie sie noch nie für etwas gekämpft hatte.
10. KAPITEL
Aimi konnte das Krankenhaus bald verlassen, denn ihre Verletzungen verheilten schnell. Jonas war nicht mehr gekommen, und sie hatte alles versucht, um ihn zu vergessen.
Sie durfte zwar zurück nach Hause, doch es war nicht daran zu denken, dass sie schon wieder arbeitete. Nick war sehr besorgt gewesen, als er von ihrem Unfall erfahren hatte, und er bestand darauf, dass sie sich schonte, solange es notwendig war. Ihre Mutter hatte ein Landhaus auf einer Insel in einem der schottischen Seen gemietet und Aimi aufgetragen, dort zu bleiben, bis sie wieder ganz genesen war. Als sie die Klinik verlassen konnte, freute sie sich auf die Ruhe und den Frieden im schottischen Hochland. Immer wieder quälten sie die Erinnerungen an ihre Zeit mit Jonas. Tag um Tag stellte sie sich vor, was hätte sein können, wenn sie Lori nicht vor langer Zeit ihr Wort gegeben hätte. Doch sie wusste, dass sie diesen Weg gehen musste.
Der Chauffeur ihrer Mutter brachte Marsha und Aimi zum Bahnhof. Noch lange winkte Marsha ihrer Tochter vom Bahnsteig aus nach, bis der Zug um eine Biegung fuhr und nicht mehr zu sehen war. Aimi setzte sich auf ihren Platz und machte es sich bequem, denn sie wusste, dass sie eine lange Reise vor sich hatte.
Als sie Stunden später den Zielbahnhof erreichte, freute sie sich, dass ihre Mutter einen Mietwagen für sie organisiert hatte, der sie zu der kleinen Fähre brachte. Der Fährmann wartete schon auf sie und half ihr, auf der Insel angekommen, das Gepäck zum Landhaus zu tragen.
„Wie kann ich Sie erreichen, wenn ich die Fähre brauche?“, fragte Aimi, bevor er ging.
„Sie können mich jederzeit anrufen. Meine Nummer finden Sie an der Pinwand in der Küche. Genießen Sie Ihren Aufenthalt hier“, sagte er freundlich und ging den schmalen Weg zum Wasser hinunter. Wenig später sah Aimi ihn über den ruhigen See zum anderen Ufer zurückrudern.
Während sie die Landschaft betrachtete, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus. Die kleine Insel war zauberhaft. Sie war umgeben von vollkommener Stille, nur das Zwitschern der Vögel und das Blöken der Schafe in der Ferne war zu hören. Rund um das Haus, dem es nicht an modernem Komfort fehlte, hatte jemand mit viel Liebe und Sorgfalt einen Bauerngarten angelegt, der von alten Bäumen und Büschen gesäumt wurde. Es war der perfekte Ort, um seine Sorgen zu vergessen.
Als sie ins Haus zurückkehrte, wurde es bereits dunkel, und sie spürte, wie hungrig sie war. In der Küche bereitete sie sich ein Sandwich, kochte Tee und lehnte sich schließlich erschöpft zurück. Nach dem Essen löschte sie das Licht und ging zu Bett. Beinahe sofort fiel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Der neue Tag begann sonnig und Aimis Lebensgeister erwachten. Nach dem Frühstück beschloss sie, die Insel zu erkunden. Sie machte sich auf den Weg zum südlichsten Zipfel des Eilandes. Als sie fast am Ziel war, glaubte sie, ein Motorboot zu hören, doch als sie keines vorbeifahren sah, schenkte sie dem Geräusch keine Beachtung mehr.
Sie setzte sich auf eine glatte Felsplatte, hielt verträumt das Gesicht der Sonne entgegen und sah den Enten zu, die im Wasser nach Futter suchten und ihre Rivalen vertrieben. Als sie hungrig wurde, schlenderte sie zum Haus zurück, um sich ein einfaches Mittagessen zu machen. Doch als sie die Stufen zur Hintertür hinaufgehen wollte, hielt sie inne. Sie war sicher, die Tür am Morgen zugezogen zu haben, aber jetzt stand sie offen. Der Duft von gebratenem Fisch und frischer Kräuter
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