Julia Extra Band 0302
drehte sich jedoch nicht um. Er wagte kaum, sich zu bewegen. Schon seit einer Ewigkeit hatte er dieses Gefühl von spontaner Gier nach einer Frau nicht mehr erlebt, und er wollte noch etwas länger an diesem wundersamen Gefühl festhalten. Denn eines stand fest: Wenn er sich umdrehte, würde seine Fantasie zu Staub zerfallen.
Schließlich schwang er seinen Bürostuhl herum. „Hallo, Jessica.“
Entsetzt umklammerte sie ihren Mob und den Eimer und starrte Salvatore an. Er war noch hier?
Die Reinigung seines Arbeitszimmers hatte Jessica heute so lange wie möglich hinausgezögert, um sicherzustellen, dass er bereits Feierabend gemacht hatte. Doch Salvatore Cardini saß an seinem Tisch und sah sie aus den eisblauen Augen ruhig an. In ihnen konnte sie deutlich lesen, dass auch er an die Ereignisse des gestrigen Abends dachte.
Sie biss sich kräftig auf die Unterlippe und ballte die Hand, mit der sie den Eimer hielt, zu einer festen Faust.
Eigentlich hatte sie überhaupt nicht zur Arbeit kommen wollen, sondern mit dem Gedanken gespielt, Top Kleen anzurufen und sich krank zu melden. Ein kleiner Teil von ihr wollte die Agentur sogar ganz verlassen, um bei jemand anderem einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Bei einer Firma, die keine so illustren Kunden wie Cardini zu ihren Auftraggebern zählen durfte, dafür aber mit einem friedlichen Arbeitsumfeld aufwarten konnte, in dem die eigene Fantasie nicht ständig verrückt spielte.
Andererseits besaß Jessica ein unerschütterliches Pflichtbewusstsein, weshalb ein solch feiges Verhalten für sie nicht infrage kam. Außerdem hatte sie ihren Stolz, und der sagte ihr, dass sie sich nichts hatte zuschulden kommen lassen. Es gab absolut keinen Grund, sich zu schämen.
Aber wo war diese feste Überzeugung jetzt? Sie bemerkte das teuflische Funkeln in Salvatores Augen, und ihr Mund wurde vor Schreck trocken. Seine ganze Erscheinung – die schwarzen Haare, die breiten Schultern, dieser muskulöse Körper – wirkte noch anziehender auf sie als sonst.
Was sollte sie zu ihm sagen, nachdem ihr letztes Gespräch mit eisigem Schweigen geendet hatte?
Verhalte dich ganz normal, befahl sie sich energisch. Als wäre nichts Besonderes geschehen.
Jessica räusperte sich umständlich. „Guten Abend“, sagte sie zögernd. „Sir.“
Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. Ihre förmliche Anrede klang beinahe wie eine unsichere Frage. Er beschloss, ihren Versuch, auf eine professionelle Ebene zurückzukehren, völlig zu ignorieren. Unauffällig taxierte er sie.
Natürlich trug sie den gleichen pinkfarbenen Overall wie immer und hatte ihre Haare wieder unter ihrem Kopftuch versteckt. Außerdem fehlte jede Spur von Make-up, und ihre riesigen grauen Augen musterten ihn vorsichtig. Sie sah aus wie jeden Tag, aber trotzdem hatte sich etwas verändert.
Oder hatte sich etwas in ihm verändert?
Vielleicht, weil er diese vollen Lippen geküsst und sich in diesen weichen, glänzenden Haaren verloren hatte? Jessica war vor seinen Augen in ein Licht gerückt, das sie heller strahlen ließ als alle anderen Menschen, die ihn umgaben. Jetzt kannte er ihre unwiderstehlichen Kurven und den ganzen reizvollen Körper, der sich unter dieser Uniform versteckte.
„Hast du gut geschlafen?“, wollte er wissen.
Zu ihrem Ärger errötete Jessica schon wieder. Natürlich hatte sie nicht gut geschlafen. Die ganze Nacht über hatte sie sich unruhig in ihrem Bett umhergewälzt und ihr Kissen mit Boxschlägen traktiert. Irgendwann war sie aufgestanden und hatte sich einen Kamillentee gekocht. Aber auch das half nicht, sich Salvatore endlich aus dem Kopf zu schlagen.
Sie konnte diesen heißen Kuss zwischen ihnen einfach nicht vergessen. Was für eine Ungerechtigkeit! In ihren dreiundzwanzig Jahren bekam sie den einzigen Kuss, der ihr Herz je zum Beben gebracht hatte, ausgerechnet von einem Mann, dem sie nicht das Geringste bedeutete.
Bestimmt war Salvatore scharfsinnig genug, um die dunklen Ringe unter ihren Augen zu bemerken. Sah sie etwa aus, als hätte sie in der letzten Nacht friedlich wie ein Baby geschlafen?
„Nein, wirklich nicht“, gab sie unumwunden zu.
„Ich auch nicht. Die ganze Nacht habe ich mich von einer Seite auf die andere geworfen.“ Er ließ seinen offenen Worten eine kurze Pause folgen. „Aber das ist kein Wunder. Oder, cara ?“
Seine tiefe Stimme wirkte enorm verführerisch auf sie. Wenn er sie doch nur nicht so intensiv ansehen würde!
Ich muss mich gegen
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