Julia Extra Band 0303
als sie seine Stimme hörte. Eine heisere, schläfrige und missmutige Stimme.
„Ja, was gibt’s?“
„Hallo, Derek, hier Kate. Habe ich dich geweckt?“
„Ja.“ Er gähnte laut. „Wie spät ist es denn?“
Kate hörte, wie im Hintergrund eine Frauenstimme etwas auf Deutsch sagte, und heiße Panik durchfuhr sie.
„Hier in Australien ist es früher Abend. Ich weiß nicht, wie spät es bei dir ist. Offensichtlich bist du in Deutschland, oder? Ich höre jemand bei dir Deutsch sprechen.“
Derek räusperte sich. „Ich bin hier in der Schweiz. Geschäftlich natürlich.“
Tränen stiegen Kate in die Augen. „Wie schön für dich! Kaum bin ich weg, musst du auf Dienstreisen.“ Sie atmete tief durch. „Du bist in München, oder? Und im Bett mit einer Deutschen.“
Derek seufzte tief.
Das war alles. Er leugnete nicht, er versicherte nicht, dass es ein einmaliger Ausrutscher war und er sie noch immer liebte, er sagte einfach gar nichts.
Kate wurde plötzlich die traurige, bisher verdrängte Wahrheit bewusst: dass Derek nie mehr als nur lauwarme Zuneigung gezeigt hatte.
„Ja, wenn da so ist, erspare ich mir in Zukunft die Ferngespräche, Derek. Mach’s gut.“ Sie war stolz auf sich, weil sie das so kühl und ungerührt sagte.
Kaum hatte sie jedoch die Verbindung beendet, ließ sie sich aufs Bett fallen und brach in Tränen aus. Sie presste sich das Kissen auf den Mund, damit niemand ihr Schluchzen hörte.
Derek war ein Lügner, ein Schuft, ein absoluter Mistkerl! Kein Wunder, dass er so verständnisvoll getan hatte wegen ihrer Reise nach Australien. Kaum hatte sie ihm den Rücken gekehrt, war er mit einer anderen nach München gefahren. Ganz bestimmt mit seiner neuen deutschen Kollegin, die ihm von Anfang an schöne Augen gemacht hatte.
So eine Hexe! Und wie konnte er es wagen.
In Gedanken beschimpfte sie ihn nach Leibeskräften, während ihr heiße Tränen übers Gesicht liefen.
Schließlich versiegte der Strom. Sie stand auf und ging ins Bad, um sich das Gesicht mit kaltem Wasser zu waschen.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie eigentlich gar nicht am Boden zerstört war, sondern vor allem unglaublich wütend. Sie hatte nicht das Gefühl, ihr Herz wäre gebrochen.
Es war eher ihr verletzter Stolz, der wehtat. Genau genommen war sie enttäuscht, vor allem über sich selbst, auf so einen Betrüger wie Derek hereingefallen zu sein.
Wenn er mitbekommt, dass ich jetzt Großgrundbesitzerin bin und mir Ländereien im Ausmaß eines kleineren Herzogtums gehören, wird er bestimmt fuchsteufelwild, vermutete Kate schadenfroh.
Der Gedanke war ausgesprochen tröstlich.
Beim Abendessen wirkte Kate angespannt und sah ein bisschen blass aus. Noah fragte sich besorgt, ob ihr die Hitze zu viel wurde. Oder hatte sie nach dem Telefonat mit ihrer Mutter etwa Heimweh? Sie sah irgendwie bekümmert aus.
Hoffentlich war sie nicht zu erschöpft, denn er wollte dringend mit ihr übers Geschäft reden. Sie mussten entscheiden, was mit der Farm geschehen sollte, und zwar bald.
Nach dem Essen half Kate beim Abräumen und Spülen, während Noah nach draußen auf die Veranda ging, wie er meistens tat. Er lauschte dem Zirpen der Zikaden und dem Gelächter, das gelegentlich aus der Küche drang. Neben ihm hatte sich der alte Hütehund Flynn ausgestreckt, der seit Angus’ Tod ganz niedergeschlagen wirkte.
Ja, sie beide vermissten Angus schrecklich!
Wie oft hatte Noah mit seinem väterlichen Freund abends hier draußen gesessen, mit den Hunden zur Gesellschaft, und einfach die Ruhe genossen. Nach einem anstrengenden Arbeitstag war es ein entspannendes Ritual, auf das sie nicht freiwillig verzichtet hatten.
Heute fand Noah zum ersten Mal seit dem Begräbnis wieder Frieden hier draußen.
Aber es war gefährlich, die Zügel schleifen zu lassen. Denn mit den Erinnerungen an Angus kamen auch die Erinnerungen an damals, als Kate zum ersten Mal auf Radnor gewesen war.
Und er sich – trotz Angus’ Drohungen – bis über beide Ohren in sie verliebt hatte.
Er war erst zwanzig gewesen und wie verhext von Kate. Von ihrem kupferroten Haar, ihrem zarten Teint und den funkelnden grünen Augen.
Angus, der merkte, wie es um ihn stand, hatte ihm eindringlich befohlen, die Finger von Kate zu lassen. Das Mädchen wäre nichts für einen schlichten australischen Viehhüter wie Noah, und es solle ohne romantische Flausen im Kopf nach den Ferien nach Hause zurückfliegen. Das wäre er ihr als Onkel schuldig.
Es war Noah sehr
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