Julia Extra Band 0303
tun. Ich … ich muss mich nur erst wieder … fassen.“
Dasselbe hatte sich Cesare heute wohl hundert Mal versucht einzureden. Er musste endlich wieder seine Gefühle unter Kontrolle bekommen, um vernünftige Entscheidungen treffen zu können.
„Nein, lass einfach alles heraus …“, sagte er heiser.
Sie war da gewesen, als er die Kontrolle über sich verloren und sich vor der Realität versteckt hatte. Samantha war nicht ausgewichen, sondern hatte der Wucht seiner Verzweiflung und Frustration standgehalten.
Und als Cesare spürte, wie die Spannung in Sams Körper plötzlich nachließ und sie sich ganz eng an seine Brust schmiegte, setzte sein Herz einen Schlag aus.
„Halt mich einfach nur fest …“, bat sie kaum hörbar.
Sekundenlang war er nicht in der Lage, sich zu bewegen. Dann streifte er den nassen Mantel von Sams Schultern und ließ ihn einfach zu Boden fallen. Und während er zärtlich ihren gebeugten Rücken massierte, versuchte Cesare, die Geschehnisse des heutigen Tages für sich zu ordnen …
Sam würde irgendwann einen anderen Job finden, der ihr ebenso viel Spaß machte, versuchte er sich zu beruhigen. Aber das war nicht der Punkt, und das wusste er. Wie bereits in der Minute, als er den Herausgeber des Chronicle anrief und ihm einen Gefallen abforderte, den Eric Gibbs ihm noch schuldete. Dazu bewogen hatte Cesare der Gedanke, dass die zur Unabhängigkeit entschlossene werdende Mutter, ohne einen festen Job, seinem Antrag gegenüber vielleicht gnädiger gestimmt wäre. Jetzt die Konsequenzen seines überstürzten Handelns zu spüren, hatte nichts mit dem Gefühl der Genugtuung zu tun, das ihn in dem Moment beflügelt hatte, als er zum Hörer griff.
Doch eines änderte auch diese zu Herzen gehende Szene für ihn nicht. Samantha und er mussten heiraten! Und zwar so schnell wie möglich.
Was für eine Ironie! Zeit seines Erwachsenenlebens war er vor Frauen auf der Flucht gewesen, die ihm die Fesseln der Ehe anlegen wollten, und nun griff er sogar schon zu äußerst schmutzigen Taktiken, um sich selbst als einen guten Fang auf dem Heiratsmarkt zu präsentieren!
Während Cesare noch mit sich haderte, genoss Sam das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit in seinen starken Armen. Wie seltsam, dass sie ausgerechnet an der Brust des Mannes Trost fand und zur Ruhe kam, der eigentlich der Verursacher des Chaos’ war, das sie gerade zu überrollen drohte.
Halt, stopp! mahnte sie sich selbst. Wenigstens mit ihrer plötzlichen Kündigung hatte er nichts zu tun.
Sam seufzte und befreite sich aus Cesares Armen. „Tut mir leid, aber dieser Tag war wirklich ein bisschen zu viel für mich.“
„Morgen wird alles schon ganz anders aussehen.“
„Nicht in diesem Fall“, sagte Sam bedrückt. „Ich bin nämlich heute gekündigt worden.“ Warum erzählte sie ihm das überhaupt? Ohne auf eine Antwort zu warten, ging Sam ins Wohnzimmer und ließ sich im Schneidersitz auf der Couch nieder.
Cesare folgte ihr langsam, wobei er sich mit der Hand an der Wand entlangtastete. Zuerst wollte sie wieder aufspringen, um ihm zu helfen, aber das war offensichtlich nicht nötig. Kein Zweifel, Cesare Brunelli war ein bemerkenswerter Mann.
„Direkt links von dir steht ein Lehnstuhl.“
Cesare akzeptierte den Hinweis mit einem Nicken und ertastete den Stuhl, bevor er sich hineinsetzte. „Warum hast du deinen Job verloren?“
Sam lachte bitter auf. „Weil ich nicht so gut war, wie ich dachte.“
„Das hat man dir gesagt?“
„Nicht direkt, aber das ist doch offensichtlich …“
Ihn ärgerte die müde Akzeptanz in ihrer flachen Stimme. Natürlich hatte er mit seiner Manipulation erreichen wollen, dass Samantha sich verunsichert fühlen sollte, aber doch nicht so! Sie war eine Kämpfernatur, das hatte sie ihm von der ersten Sekunde ihres Kennenlernens an bewiesen. Die Resignation in ihrer Stimme tat ihm fast körperlich weh.
„Dann willst du jetzt so einfach aufgeben?“
Sam schaute verwirrt hoch. Der Gedanke schien ihn regelrecht zu verärgern, aber warum?
„Ich hätte nie gedacht, dass du so ein Feigling bist“, fügte Cesare noch hinzu.
„Das bin ich nicht!“, wehrte sie sich. „Nur realistisch.“
„Und was hast du jetzt vor? Wieder bei deinen Eltern zu leben?“
„Die sind beide tot. Mein Dad starb, als ich zehn war, meine Mutter im letzten Jahr.“
„Das tut mir leid.“
Forschend schaute Sam in sein unbewegtes Gesicht. Trotzdem schien seine Anteilnahme echt zu sein. Sie seufzte.
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