Julia Extra Band 0309
fände sie die Aussicht unerträglich, den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen zu müssen. Und da wurde ihm auf einmal ganz elend und kalt.
12. KAPITEL
Über der Stadt zog sich ein Gewitter zusammen. Dumpfes Donnergrollen kündigte sein Herannahen an. Sicher gibt es einen Sturm, dachte Kerry ängstlich. Die feuchte, schwüle Luft machte ihr das Atmen schwer. Sie war müde und durstig und wollte so schnell wie möglich zurück ins Hotel. Aber was als kurzer Spaziergang begonnen hatte, erschien ihr plötzlich wie ein Marathon – unüberwindbar.
Die ersten Regentropfen fielen, als sie gerade aus dem Gewirr der Gassen auf eine der Hauptstraßen einbog, die zum Syntagma Square führten. Wenn möglich, mied sie diese Straße mit ihrem Verkehr, den Abgasen und dem Lärm sonst. Aber es war einfach der kürzeste Weg zurück zum Hotel. Vielleicht habe ich Glück und finde ein Taxi, überlegte sie.
Plötzlich schien es, als hätte der Himmel die Schleusen geöffnet. Dazu ertönte ein ohrenbetäubendes, lautes Krachen – das Gewitter war genau über Kerry.
Lucas begann herzzerreißend zu weinen, während Kerry sich bemühte, die Regenhaube des Kinderwagens zu befestigen. We nigstens bleibt er dann trocken, auch wenn es ihm nicht gefällt, so eingesperrt zu sein . Sie selbst war bereits bis auf die Haut durchnässt.
Der Regen kam in so dichten Schauern, dass hinter dem Wasserschleier sogar die Säulen des Zeustempels verschwanden, obwohl sie sich gerade mal auf der gegenüberliegenden Straßenseite befanden. Innerhalb von Sekunden ergossen sich wahre Fluten in die Gullis, die diese Wassermengen gar nicht mehr fassten.
Inzwischen schrie Lucas lauthals. Seine Stimme übertönte sogar noch den heulenden Sturm, aber Kerry wagte nicht mehr, an den Straßenrand zu treten, um ein Taxi heranzuwinken. Die Regenmassen hatten die Straßen bereits in Sturzbäche verwandelt.
Den Kopf zwischen die Schultern gezogen, schob sie tapfer den Buggy durch das Unwetter.
Theo traf genau in dem Moment im Hotel ein, als das Gewitter losbrach. Erst schenkte er ihm keine weitere Beachtung, aber als er feststellte, dass Kerry und sein Sohn bei diesem Wetter unterwegs waren, packte ihn die Besorgnis. Unruhig ging er auf und ab. Wieder und wieder trat er ans Fenster. Wo bleiben sie bloß, fragte er sich.
Plötzlich klingelte sein Handy. Kerry!
„Wo bist du?“, schrie er ins Telefon.
„Im Nationalgarten. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Der Sturm hat den Regenschutz vom Kinderwagen weggeweht!“ Über den Sturm hinweg konnte Theo Kerry kaum verstehen, aber er glaubte zu wissen, wo sie war. „Ich schaffe es nicht bis nach Hause. Bitte, kannst du nicht kommen?“
Eine Faust schien Theos Herz zusammenzupressen. Kerry hatte ihn noch nie um Hilfe gebeten, sie musste wirklich verzweifelt sein.
Er griff nach einem überdimensionierten Regenschirm, überlegte kurz, ob er sich mit dem Wagen zum Eingang des Parks bringen lassen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Er musste etwas tun . Er musste zu Kerry.
Der Regen peitschte sein Gesicht – es war gar nicht daran zu denken, den Schirm aufzuspannen. Theo rannte los, sprang über Pfützen, watete durch die schmutzig-grauen Fluten, die durch die Straßen flossen. Nach wenigen Minuten erreichte er den Park, lief suchend die Wege entlang.
Endlich erblickte er Kerry. Sie stand schützend über den Kinderwagen gebeugt. Eine unbeschreibliche Zärtlichkeit überwältigte Theo.
Kerry blickte auf, als sie ihn bemerkte. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck der Verzweiflung, der Theo bis ins Mark erschütterte. Er wollte sie in die Arme nehmen, ihren Kummer wegküssen. Da durchzuckte ihn ein Gedanke: Er war es ja, der diesen Kummer verursachte …
Unsicher hielt er inne. Zum ersten Mal wusste er nicht, was er tun sollte.
„Mein Liebling, jetzt ist alles gut. Schau mal, Papa ist da … und er hat einen großen Schirm mitgebracht.“
Ihre Worte lösten die Lähmung in Theo. Er öffnete den Schirm und hielt ihn über Lucas und Kerry. Dann fasste er ihren Arm und half ihr hoch.
Kerry nahm ihren Sohn auf den Arm, und sofort beruhigte sich das Kind. Auch Kerry schien sich zu entspannen. Dankbar blickte sie zu Theo empor.
„Ich habe es nicht geschafft, den Regenschutz richtig am Wagen zu befestigen“, sagte sie schuldbewusst.
Mit der freien Hand versuchte sie, sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Sie erwartete, Vorwürfe aus Theos Mund zu hören, stattdessen sah sie nur
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