Julia Extra Band 0309
einer guten Menschenkenntnis. Der alte Mann war sich sicher, dass Theo nichts gegen die Wünsche seiner Tante unternehmen würde. Er wusste, wie wichtig es für Theo war, eine Versöhnung herbeizuführen und die Fehler seines Vaters zu berichtigen.
„Ich verspreche, keine Hotels auf der Insel zu bauen“, gelobte er feierlich. „Aber du musst dir überlegen, was du mit der Insel anfangen willst. Allerdings sollte man auch nichts überstürzen“, fügte er nach einer Pause hinzu. „Denk in Ruhe darüber nach. Und selbst, wenn du dich entscheiden solltest, nicht wieder auf die Insel zu ziehen, werde ich Drakons Wunsch berücksichtigen. Ich werde sein kleines Paradies erhalten, so wie es ist.“
Dacia lächelte und betrachtete dann wieder die Bilder.
„Ich würde dir gern die anderen Bilder zukommen lassen, wenn du nichts dagegen hast.“ Es hatte Theo Jahre gekostet, die Sammlung zusammenzukaufen. Die meisten befanden sich in privatem Besitz und wurden nur selten zum Verkauf angeboten.
„Danke“, erwiderte Dacia schlicht. „Aber weißt du, was mir am liebsten wäre? Endlich die Familie kennenzulernen – die Menschen, die ich aus lauter Starrsinn Zeit meines Lebens abgelehnt habe.“
„Aber natürlich sollst du das. Corban wird sich sehr freuen, dich endlich zu sehen und dir seine Familie vorzustellen.“
„Ich würde gern deine Frau kennenlernen. Drakon ist so begeistert von ihr. Ich glaube, ihr ist es zu verdanken, dass er sich entschlossen hat, dir die Insel zu verkaufen.“
„Stimmt, Drakon hat sie in sein Herz geschlossen. Ich glaube, Kerry erinnert ihn an seine verstorbene Frau“, erwiderte Theo ruhig, obwohl sein Puls bei der Erwähnung von Kerrys Namen verdächtig raste.
Dacia erzählte ihm nichts Neues. Er wusste, dass Kerry eine wichtige Rolle bei Drakons Entscheidung zukam. Schließlich hatte er sie auf dessen expliziten Wunsch hin auf die Insel gebracht. Plötzlich fielen ihm Kerrys Vorwürfe wieder ein, dass er ein Kontrollfreak sei, ihr immer unlautere Motive unterstelle und nie davon ausgehe, dass auch sie es nur gut meinte.
„Die Erfrischungen stehen bereit“, unterbrach die Stimme des Assistenten Theos Gedanken.
„Oh, vielen Dank. Das ist nett“, sagte Dacia.
Während Theo seiner Tante hinaus auf die Terrasse folgte, nahm er seinen Gedankenstrang wieder auf. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er Dacias Anwesenheit hier Drakons und Kerrys Bemühungen verdankte. Hätte er auf seine Art versucht, sie zu überzeugen – wäre ihm das vermutlich nicht gelungen.
„Ich habe Drakons Personal übernommen“, erklärte er abrupt. „Es macht am Anfang alles viel einfacher. Aber natürlich kannst du diesbezüglich deine eigenen Entscheidungen treffen.“
„Du hast wirklich mein Leben auf den Kopf gestellt.“ Dacia nahm Theos Hand und drückte sie. „Du ahnst gar nicht, wie viel mir das bedeutet. Danke! Ich danke dir dafür!“
Schon wollte er abwinken, hielt dann aber inne. „Es ist nicht allein mein Verdienst, wie du weißt.“
„Ja, und ich kann es kaum erwarten, deine Frau kennenzulernen. Wie sehr ich mich für dich freue, so einen wundervollen Menschen an deiner Seite zu haben.“
„Danke. Du hast recht, Kerry ist wundervoll“, rang er sich höflich ab.
Am Anfang ihrer Beziehung hatte er sich beglückwünscht, jemanden wie sie kennengelernt zu haben. Sie war der ruhige Hafen in seinem hektischen Leben. Sie verkörperte genau das, was er bei einer Frau suchte: Wärme, Zärtlichkeit, Sinnlichkeit.
Aber Kerry hatte sich verändert. Von der perfekten Geliebten zur ganz und gar nicht perfekten Ehefrau. Früher hatte sie ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen – und jetzt? Jetzt war sie störrisch und renitent und nannte ihn einen Kontrollfreak!
Sie hatte sein geordnetes, ruhiges Leben völlig auf den Kopf gestellt. Er mochte nun einmal keine Überraschungen. Außerdem war er es gewohnt zu befehlen und erwartete von seinen Angestellten keinen Widerspruch. Nur – Kerry war keine Angestellte. Sie war seine Frau. Und wollte er wirklich jemanden ohne Rückgrat an seiner Seite, der sich jedem seiner Wünsche fügte?
Seit er von Lucas’ Existenz wusste, hatte er alles in seiner Macht Stehende getan, um seinem Sohn eine Familie, eine gesicherte Zukunft zu geben. Nie hatte er sich gefragt, was Kerry eigentlich wollte, und schon gar nicht, was er selbst wollte.
Plötzlich fiel ihm Kerrys Blick während ihres Streits wieder ein. Ein Blick voller Verzweiflung, als
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