Julia Extra Band 0315
sie noch immer?“
Amir richtete den Blick weit in die Wüste hinaus. „Ja.“
„Wirst du dir nehmen, was du begehrst?“ Das war kein Urteil, Zahir klang einfach nur neugierig.
„Sie ist noch Jungfrau.“
„Ist das nicht ungewöhnlich in ihrem Alter?“
„Momentan ist Enthaltsamkeit in der amerikanischen Kultur groß im Kommen. Aber Grace ist nicht einfach nur Jungfrau, sondern völlig unerfahren.“
„Sie hat keine Bewunderer?“
Prompt musste Amir an Jerry denken, und er zog finster die Brauen zusammen. „Doch, schon.“
„Heiraten willst du sie jedoch nicht?“
„Nein, daran hat sich nichts geändert.“
„Nur dein Entschluss, sie nicht anzurühren, hat sich geändert?“
„Du kennst mich gut“, seufzte Amir.
„Wir sind Brüder.“
„Ja, und das freut mich. Grace ist eine Romantikerin. Das wusste ich bisher nicht, aber jetzt ist es mir klar. Ich fürchte, diese Charaktereigenschaft macht sie einsam – und verletzlich.“
„Du hast nie gemerkt, dass sie romantisch veranlagt ist?“, fragte Zahir ungläubig.
„Du etwa?“ Amir wusste wirklich nicht, woher diese irrationale Eifersucht plötzlich kam.
„Ich erinnere mich noch gut an ihre Reaktion, als Mutter ihr damals das alte Haremszimmer zuteilte.“
„Und daraus hast du geschlossen, dass sie eine Romantikerin ist?“
„Ja.“ Der Blick, mit dem Zahir den jüngeren Bruder ansah, zeigte völlige Verständnislosigkeit darüber, dass Amir es nicht ebenfalls verstanden hatte.
„Wie auch immer. Inzwischen frage ich mich, ob Grace sich nie mit Männern verabredet hat, weil kein Mann aus Fleisch und Blut ihren romantischen Vorstellungen entspricht.“
„Und du glaubst, wenn du ihr beim Entdecken ihrer sinnlichen Seite hilfst, wird sie die romantischen Luftschlösser aufgeben?“
„Sie scheint mir gegenüber empfänglicher zu sein als bei anderen Männern. Vielleicht kann ich ihr helfen zu verstehen, dass Sex nichts mit Liebe zu tun hat. Dann ist sie offener für andere und muss nicht einsam sein.“ Als er sich Grace in den Armen eines Unbekannten vorstellte, rührte etwas wie Zorn an seinem Herzen, aber er ignorierte es. „Ich werde sie nicht anlügen oder ihr Versprechungen machen, die ich nicht halten kann.“
„Das ist deine Rechtfertigung dafür, dass du ihr die Unschuld nehmen willst?“
„Du hältst das für falsch?“
„Ich denke, du brauchst Grace mehr, als du zugeben willst.“
„Ich habe doch schon zugegeben, dass ich ohne sie verloren bin.“
„Ja.“
„Aber?“, hakte Amir nach.
„Du begehrst sie so sehr, dass du deinen Entschluss, sie nicht anzurühren, aufgibst. Wenn du eine solche Entscheidung, die auf tiefen, verinnerlichten Gründen beruhte, änderst, müssen deine Gefühle für sie ebenfalls sehr tief sein.“
„Ich bestreite ja auch gar nicht, dass ich sie will.“
„Bist du sicher, dass es nur physisch ist?“
„Wir sind auch Freunde. Sie ist mein bester Freund.“
Einige Sekunden musterte sein Bruder ihn nachdenklich, dann lächelte er eines seiner seltenen Lächeln. „Du musst natürlich tun, was du für richtig hältst. Meiner Meinung nach wird dein Vorhaben, mit Grace zu schlafen, ihr letztlich keinen Schaden zufügen.“
Insgeheim hatte Amir sich auf eine Standpauke darüber eingestellt, wie egoistisch und eigennützig er doch sei. „Meinst du das ernst?“
„Sicher. Aber ich erwarte, Trauzeuge bei deiner Hochzeit zu sein. Schließlich bin ich der Älteste.“ Damit gab Zahir seinem Hengst die Sporen und galoppierte los.
Sofort lehnte Amir sich über den Hals seines Arabers und folgte ihm zu einem wilden Ritt in die Wüste hinein.
Grace wachte auf und fühlte sich besser als in den letzten beiden Monaten. Sie hatte einen Plan, und wie Amir immer sagte: Grace Brown mit einem Plan war eine einschüchternde Angelegenheit.
Nach der Morgentoilette ging sie direkt zum Arbeitszimmer der Königin. Davon, sich bei völlig Fremden Rat zu holen, hielt Grace nichts. Und wenn es um eine Typveränderung ging, wer könnte ihr da besser mit Rat und Tat zur Seite stehen als Königin Adara?
Die Assistentin der Königin öffnete auf Graces Klopfen hin die Tür. Adara saß über aufgeschlagenen Terminkalendern an ihrem Schreibtisch und schaute lächelnd auf, als Grace eintrat.
„Sie koordinieren Ihre Termine?“, fragte Grace.
Die ältere Frau massierte sich die Schläfen. „Ja. Jetzt, da meine Töchter alle verheiratet sind und eigene Familien haben, wird es immer komplizierter, die
Weitere Kostenlose Bücher