Julia Extra Band 0316
sie arbeitet nur Teilzeit. Ich kann sie wohl kaum fragen –“
„Doch, natürlich!“
Zu gern hätte Phoebe ihm darauf eine passende Antwort gegeben. Aber sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich mit ihm zu streiten.
Leo würde jeden ihrer Einwände abtun und bei Bedarf auf den Einfluss und die Macht der Fürstenfamilie hinweisen. Sie gab sich geschlagen … zumindest für den Moment.
„Schön“, willigte sie deshalb ein, „aber nach zwei Wochen kehre ich mit Christian nach Hause zurück, und danach will ich niemanden aus Amarnes je wiedersehen.“
Mit geneigtem Kopf sah Leo sie an. Der Blick seiner bernsteinfarbenen Augen war wieder auf beunruhigende Art milde und auch irgendwie mitleidig. „Ja, natürlich, so soll es sein.“
Als Leo sich noch ein Glas Brandy einschenkte, war das Feuer längst bis auf einen Rest Glut heruntergebrannt. Am Himmel stand nur der Mond als einsame, silberfarbene Sichel. Schon vor Stunden war Phoebe mit Christian gegangen, und Leo stellte sich vor, wie sie jetzt allein auf dem Sofa saß, die Knie an die Brust gezogen, und über ihre veränderte und ungewisse Zukunft nachdachte.
Dabei wusste sie nicht einmal, wie verändert und ungewiss ihre Zukunft tatsächlich sein würde. Fürst Nicholas wollte Phoebe nicht in Amarnes haben.
Er wollte nur den Jungen. Doch Leo wusste, dass es ein Ding der Unmöglichkeit war, Christian ohne seine Mutter nach Amarnes zu bringen. Nachdem er gesehen hatte, wie sehr die beiden aneinander hingen, konnte und wollte er den Jungen nicht von ihr trennen. Er wusste, wie sich das anfühlte und erinnerte sich an den gequälten Gesichtsausdruck seiner Mutter, als sie mit dem fürstlichen Jet in ihr Heimatland Italien zurückgekehrt war. Damals hatte er mit seinen sechs Jahren still am Kinderzimmerfenster gestanden und versucht, nicht zu weinen.
Von diesem Augenblick an war sein Leben der Krone geweiht, ohne dass er sie selbst je hätte tragen sollen. Doch seit sechs Jahren war alles anders, und er war der unbestrittene Thronfolger. Das missfiel Nicholas sehr, aber ihm blieb keine andere Wahl. Und während der vergangenen sechs Jahre hatte Leo alles getan, um seinem Onkel, den Bürgern von Amarnes und der ganzen Welt zu beweisen, dass er die Krone verdiente.
Ob er sich verändert habe, hatte Phoebe gefragt. Sie sah in ihm immer noch den rücksichtslosen Playboy, aus dem gleichen Holz geschnitzt wie Anders. Und vielleicht war er das auch. Du verdienst es nicht, Fürst zu werden, schien sein Gewissen zu sagen.
Trotzdem war er jetzt der einzige Erbe seines Onkels. Daran konnte niemand etwas ändern. Anders’ Thronverzicht galt auch für seine Nachkommen. Also würde Leo weiterhin seinem Land und seinem Souverän dienen und tun, was man von ihm verlangte … egal, was das für Phoebe bedeuten mochte.
Er trank sein Glas aus und stand auf, um ins Bett zu gehen. Er durfte nicht an Phoebe und ihre Gefühle denken … oder daran, wie sie sich angefühlt hatte. Trotzdem genoss er einen Moment lang die Erinnerung an ihre samtweiche Haut, an ihren lustvollen Blick aus den grauen Augen und ihren herrlichen Körper, der vor Verlangen beinahe gebebt hätte.
Aber Phoebe zu verführen, gehörte nicht zu seinem Plan.
Wie sah der eigentlich aus? Er würde Mutter und Sohn nach Amarnes bringen, auch wenn Nicholas toben würde. Vielleicht wäre der Alte tatsächlich bald gelangweilt und würde sie wieder gehen lassen.
Doch Leo bezweifelte das. Und was wäre dann mit Phoebe? Müde fuhr er sich durchs Gesicht. Darauf wusste er noch immer keine Antwort. Aber wenigstens hätte er seine Pflicht erfüllt. Das tat er immer. Er brachte den Jungen zurück, und Phoebe war ihm wohlgesinnt – zumindest im Augenblick. Alles andere musste warten.
5. KAPITEL
Als der Wecker mitten in der Nacht klingelte, war der Triumphbogen auf dem Washington Square noch in zartes Mondlicht getaucht. Phoebe wappnete sich für den Tag. Am Abend zuvor hatte sie ihre Mutter und ihre Assistentin informiert und hastig das Nötigste zusammengepackt. Der Schule hatte sie eine E-Mail geschickt. Während sie sich jetzt anzog, ganz schlicht mit grauer Wollhose und blassrosa Pullover, bemühte sie sich, das Flattern ihrer Nerven zu ignorieren. Insgeheim fragte sie sich, ob vielleicht sogar so etwas wie Vorfreude dabei war.
Sie weckte Christian, machte schnell Frühstück und packte dann noch ein paar Dinge. Kurz darauf stellte sie entsetzt fest, dass die Limousine mit den getönten Scheiben bereits
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