Julia Extra Band 0326
du dir nicht nach Lust und Laune jede beliebige Frau nehmen, die dir über den Weg läuft.“ Sie legte den Kopf zurück. „Und jetzt verlass bitte auf der Stelle die Küche.“
Missmutig zuckte er die Achseln, kam ihrer Aufforderung jedoch nach. Erleichtert atmete Emily auf. Nico war groß und kräftig, im Ernstfall wäre sie nicht in der Lage gewesen, sich gegen ihn zu wehren. Sie war außer sich, und ihre Hände zitterten.
Arme Coral, dachte sie und schaltete den Wasserkocher ein. Wie konnte sie ihre Freundin nur dazu bringen, diesen Mann aufzugeben, bevor es zu spät war? Bestimmt nicht dadurch, dass sie ihr brühwarm berichtete, was sich eben abgespielt hatte, das war klar.
Ferienflirts brachten einfach nichts, sie endeten so jäh, wie sie begonnen hatten, und meistens blieb ein gebrochenes Herz zurück. Unverbindliche Liebeleien waren dieses hohe Risiko einfach nicht wert.
Am Ende der nächsten Woche saß Emily bereits wieder im Flieger nach Rom. Weil ihre Arbeit dort so erfolgreich gewesen war, schickte ihr Boss sie ein zweites Mal dorthin, um die neuen Kontakte weiter zu festigen.
Emily sah dieser zweiten Dienstreise nach Rom mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits freute sie sich auf die Stadt, weil es ihr dort so gut gefiel, andererseits war sie eng mit Erinnerungen an Giovanni verknüpft. Doch um ihn, zu dem sie sich immer stärker hingezogen fühlte, endgültig zu vergessen, wäre jeder andere Ort geeigneter gewesen.
Giovanni rief sie inzwischen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen an. Obwohl sie dagegen kämpfte, bekam sie Herzklopfen, sobald sie seinen Namen im Display las. Um sich nicht noch tiefer zu verstricken, hatte sie sich fest vorgenommen, sich während der ersten vier Tage ihres Romaufenthalts nicht bei ihm zu melden – wahrscheinlich hielt Giovanni sich ja sowieso nicht in der Stadt auf.
„Ich fahre für eine Woche aufs Land“, hatte er bei einem der letzten Telefonate erklärt. „Rom ist unerträglich heiß, und außerdem muss ich meiner Mutter helfen. Anschließend komme ich sofort wieder nach London, das verspreche ich dir.“
Er machte eine kleine Pause. „Ich freue mich schon auf den Winter, wenn es kalt und frostig ist, und überall die Weihnachtsbeleuchtungen brennen. Dann werden wir Arm in Arm über die Oxford Street schlendern und uns heiße Maronen kaufen.“
Giovanni war ein ganz anderer Mensch als Nico. Er hatte sie stets respektiert, nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, sich so unverschämt wie Nico zu benehmen.
Coral gegenüber hatte sie den Vorfall in der Küche nicht erwähnt, den Kontakt mit Nico hatte sie auf das Allernotwendigste beschränkt und war froh gewesen, als er endlich wieder abreiste.
Emily schnallte sich ab, holte ihr Handgepäck aus dem Fach und reihte sich in die Schlange ein, um die Maschine zu verlassen. Diesmal würde es in Rom ganz anders sein, keine Coral als Begleiterin, keinen Giovanni als kundigen Helfer. Sie musste sich allein durchschlagen und hatte auch am Feierabend keine Gesellschaft.
Aber das war auch gut so – oder?
7. KAPITEL
Bewusst hatte Emily diesmal ein anderes Hotel gewählt als bei ihrem letzten Rombesuch. Allein die Vorstellung, Nico an der Rezeption zu treffen und mit ihm sprechen zu müssen, fand sie abstoßend.
Dienstlich gesehen verlief alles unerwartet glatt. Sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurechtzufinden und im Straßengewirr Roms zu orientieren, bereitete ihr keine nennenswerten Schwierigkeiten mehr. Auch unter den Hotels, die sie zu beurteilen hatte, entsprach nur eins nicht ihren Erwartungen. Sie hoffte, ihre negative Einschätzung beruhte auf sachlichen Erwägungen und nicht auf der Tatsache, dass der Manager Nico erstaunlich ähnelte!
Alles verlief nach Plan, und so war Emily bereits nach vier Tagen mit der Arbeit fertig. Der letzte Tag stand ihr also zur freien Verfügung, um den Petersdom und die Sixtinische Kapelle genauer zu besichtigen, als sie es beim letzten Mal hatte tun können.
Wegen der brütenden Hitze hatte sie sich für ihr luftiges blaues Sommerkleid entschieden, eine Sonnenbrille aufgesetzt und den Strohhut tief ins Gesicht gezogen. Auf den Straßen drängten sich Touristen aus aller Welt, und vor den Eingängen zu den historischen Sehenswürdigkeiten standen lange Schlangen. Es herrschte ein unglaubliches Gewimmel.
Fasziniert betrachtete Emily das bunte Treiben, hielt jedoch plötzlich den Atem an. Litt sie schon unter Halluzinationen? Sie blinzelte und
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