Julia Extra Band 0326
und vermutlich auch mit anderen Männern erlebt hatte, waren prägend gewesen. Jahrelang hatte Meg versucht, es allen recht zu machen, und war dabei selbst zu kurz gekommen. Sie hatte sich dem Willen jener unterworfen, die ihr nicht mit Respekt begegneten und auch nicht erkannten, welch ein wertvoller und wunderbarer Mensch sie war.
Nach all dem Leid, das Meg erfahren hatte, wunderte es ihn nicht, dass sie sich in Zukunft auf niemand mehr verlassen wollte. Dass sie in der Lage wäre, ein Kind auch ohne Partner großzuziehen, traute Etienne ihr durchaus zu, aber er würde es nicht richtig finden, wenn sie alle Schwierigkeiten, die damit verbunden waren, ganz allein meistern müsste. Andererseits hatte er jedoch kein Recht, sich ein Urteil über diese Dinge zu erlauben, denn er würde ihr nicht helfen können, wenn sie in der Klemme steckte. In knapp zwei Monaten würde er aus Chicago abreisen, und dann war Meg ganz auf sich allein gestellt.
Etienne war nicht sicher, wie er sich verhalten sollte. Einerseits sehnte er sich sehr danach, mit ihr zu schlafen, andererseits aber hatte er Angst, sie zu verletzen, wenn er nur eine unverbindliche Affäre mit ihr einging und sie dann nach kurzer Zeit verließ.
Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Dora, die Dame an der Rezeption, meldete eine Besucherin namens Paula Avery an, die sich um einen Job bei Fieldman’s bewerben wollte. Der Name kam Etienne irgendwie bekannt vor, doch er konnte ihn nirgendwo zuordnen. Als die junge Frau jedoch wenig später vor ihm stand und sehr nervös wirkte, ahnte er, wer sie war.
„Sie haben also noch bis vor ein paar Monaten für Fieldman’s gearbeitet“, sagte er, nachdem sie sich vorgestellt hatte. „Wer war denn Ihr direkter Vorgesetzter?“
„Alan Fieldman“, antwortete Paula Avery und wagte dabei kaum, ihn anzusehen.
Also hab ich recht gehabt! dachte er verärgert. Paula Avery war die Frau, der Meg ihren Rauswurf zu verdanken hatte. Aus ihren Bewerbungsunterlagen konnte er ersehen, dass sie wenige Wochen vor Megs Ausscheiden eingestellt und ihr kurz vor Alans Weggang ebenfalls gekündigt worden war. Am liebsten hätte Etienne sie auf der Stelle rausgeworfen, doch er musste sich beherrschen und diplomatisch bleiben.
„Ich fürchte, wir können Ihnen keinen Job in unserem Unternehmen bieten, Ms. Avery“, sagte er schließlich gezwungen höflich.
„Ach, bitte denken Sie doch noch einmal darüber nach“, flehte Paula unvermittelt, wobei ihr die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben stand. „Ich würde jede Arbeit machen, wirklich jede.“ Dann senkte sie beschämt den Blick. „Ich weiß, warum Sie mich nicht einstellen möchten, und ich kann es auch verstehen. Aber ich hatte damals wirklich keine Ahnung, was Alan mit Miss Leighton vorhatte, und was passiert ist, tut mir furchtbar leid. Alan hat auch mich rausgeworfen, und nun stehe ich ohne Arbeit da und weiß bald nicht mehr, wie ich mit meinen beiden kleinen Kindern über die Runden kommen soll …“ Sie verstummte abrupt, denn in diesem Augenblick kam Meg herein, die Paulas Stimme schon vom Gang aus erkannt haben musste, da die Tür offen stand.
„Wie ich gerade eben mitbekommen habe, suchen Sie einen Job in unserem Unternehmen?“, fragte sie zu Etiennes Erstaunen jedoch so ruhig und sachlich, als würde Paulas Erscheinen sie nicht im Geringsten stören.
„Ich … ich glaube, ich sollte jetzt besser gehen …“, stammelte diese nun völlig aufgelöst und nahm ihre Tasche. „Ich hätte erst gar nicht kommen dürfen.“ Sie wollte flüchten, doch Meg hob beschwichtigend die Hand.
„Warten Sie, Paula, Sie müssen nicht gleich gehen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie schwer es Ihnen gefallen ist, hierherzukommen.“
Mit einer solchen Reaktion hatte Paula keinesfalls gerechnet und stammelte perplex: „Das stimmt, ich habe … schwer mit mir gekämpft, bevor ich mich dazu entschlossen habe. Aber ich wusste mir einfach keinen anderen Rat mehr. Ich habe mich schon bei etlichen anderen Firmen beworben, aber ohne Erfolg. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich keine Referenzen vorzuweisen habe. Alan wollte mir kein Zeugnis geben, weil er der Meinung war, ich sei schuld an Fieldman’s Scheitern gewesen. Aber als ich dann erfuhr, dass das Unternehmen von Mr. Gavard übernommen worden war und sogar neue Mitarbeiter eingestellt würden, da hoffte ich, dass ich vielleicht eine Chance hätte.“ Sie sah Meg flehend an. „Bitte, Miss Leighton, überlegen
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