Julia Extra Band 0339
noch Tarzan-Outfit. Etwas Diskretes.“ Er wandte sich vom Fenster ab und gähnte. „Und jetzt gehe ich schlafen.“
„Mum, bist du sicher, dass ich richtig angezogen bin?“, fragte Holly ihre Mutter am nächsten Morgen, während sie sich zweifelnd im Spiegel begutachtete. Sie trug ein tailliertes schwarzes Jackett mit tiefem Ausschnitt und einen sehr kurzen schwarz-weiß gemusterten Rock, dazu hochhackige Sandaletten und Sylvias Perlenkette mit den passenden Ohrgehängen. „Ich dachte, es handelt sich lediglich um eine simple Benefizveranstaltung.“
„Nicht simpel, sondern sehr exklusiv. Allein die Gedecke kosten ein kleines Vermögen.“ Stolz begutachtete Mrs Harding ihre Tochter. „Du siehst umwerfend aus, Liebling.“ Sie selbst trug ein Leinenkostüm in kräftigem Rosa und ihr Diamantencollier.
Holly schnitt eine Grimasse. Seit dem Tod ihres Vaters wohnte sie wieder daheim, um ihrer Mutter ab und zu Gesellschaft zu leisten. Sie genoss die Vorteile des schönen alten Hauses und nahm dafür in Kauf, dass sie hin und wieder an Veranstaltungen teilnehmen musste, denen sie sonst ferngeblieben wäre – nicht zuletzt, weil sie sich nur ungern herausputzte. Groß und sehr schlank, hatte sie zwar die ideale Figur, um Kleider zur Geltung zu bringen, aber privat bevorzugte sie Jeans und T-Shirt. Sie fand ihr Aussehen eher durchschnittlich – das Beste waren die kornblumenblauen Augen und das dichte blonde Haar, das sie für diesen Anlass zu einem komplizierten Chignon hochgesteckt hatte.
Sie drehte dem Schlafzimmerspiegel den Rücken und betrachtete ihre Mutter mit liebevoller Nachsicht. Was gefiel ihr nur so sehr an diesen gesellschaftlichen Großereignissen? Kam es daher, dass sie sich als Witwe einsam fühlte? Einfach war es bestimmt nicht, denn Richard Harding war ein wundervoller Mensch gewesen, sowohl als Ehemann als auch als Vater. Wie immer, wenn Holly an ihn dachte, spürte sie einen Kloß im Hals – Dad war für sie Vorbild und Held gewesen, ihm verdankte sie die Liebe zum Schreiben und vermutlich auch die Begabung.
Wäre er in einem früheren Zeitalter geboren, hätte ihr Vater sich bestimmt als Forschungsreisender einen Namen gemacht. Als Sohn vermögender Eltern war er in der Lage gewesen, ein Leben lang das zu tun, was ihn am meisten fesselte: reisen, ihm unbekannte Welten entdecken und darüber schreiben. Dass er ihre Mutter geheiratet hatte – eine Frau, die in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von ihm war –, verstand Holly heute noch nicht. Dennoch war die Ehe ihrer Eltern ausgesprochen glücklich gewesen.
Aber sie , nicht Sylvia, war es, die ihn auf zahlreichen Expeditionen begleiten durfte. Er hatte ihr die Augen für fremde Länder und fremde Kulturen geöffnet und dazu beigetragen, dass sie heute fließend Französisch und Spanisch sprach und sich sogar in Suaheli verständigen konnte.
All das kam ihr jetzt als Reisejournalistin zugute. Ihre Spezialität waren ausgefallene, abgelegene Destinationen, wo sie nicht selten per Kamel oder Maulesel oder auf überfüllten Fähren reisen musste.
„Sie sehen aus, als würde Sie der erste kräftige Windstoß wegwehen“, hatte Glenn Shepherd, ihr Chef bei der Zeitschrift, erst gestern bemerkt, als sie ihn im Büro aufsuchte. „Zum Glück haben Sie Nerven aus Stahl.“
„Ohne die geht es nicht“, hatte sie erwidert und hinzugefügt: „Allerdings genügt es manchmal, sich ganz einfach dumm zu stellen, wenn’s kritisch wird.“
„Wie bei dem arabischen Scheich, der ein Auge auf Sie geworfen hatte?“ Er grinste. „Oder dem mexikanischen bandido , der Sie unbedingt heiraten wollte?“
„Bei ihm blieb mir nichts anderes übrig, als sein Auto zu stehlen und das Weite zu suchen. Natürlich hat er es zurückbekommen … Wie dem auch sein mag, ich wollte Sie schon länger etwas fragen, Glenn …“ Sie schwieg einen Moment. „Seit ich beim Magazin bin – und das sind jetzt fast zwei Jahre –, schreibe ich für den Reiseteil. Besteht eigentlich Aussicht auf etwas anderes?“
„Ich dachte, das Reisen gefällt Ihnen.“
„Tut es auch, aber ich denke an meine Laufbahn. Ich würde liebend gern mal ein aktuelles Thema recherchieren oder jemanden interviewen. Ja, ein Interview wäre spitze.“
„Holly …“ Er lächelte freundlich. „Nehmen Sie es mir nicht übel, aber für Tagesthemen sind Sie mit Ihren vierundzwanzig noch etwas jung. In ein paar Jahren vielleicht … Und mit Interviews ist das so eine Sache. Natürlich steht
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