Julia Extra Band 0347
hatte recht. Es war ein schöner Abend gewesen, bis auf den Schluss. Doch jetzt stand er vor ihr, war ihr sogar hinterhergelaufen.
Sie setzte sich wieder in Bewegung. „Wären Sie mir auch gefolgt, wenn ich bei der Müllabfuhr arbeiten würde?“
Erst jetzt bemerkte sie, wie groß er war. Sie sah zu ihm auf und blickte in seine intensiven grüngrauen Augen, die sie fragend anschauten.
„Natürlich hätte ich das getan. Ich hatte ein wunderbares Dinner und saß am Ende alleine da. Ich muss mich entschuldigen.“
Er ging nicht auf ihr Spiel ein, doch seine Ehrlichkeit beeindruckte sie. Sie brauchte keinen Mann, der ihr Honig um den Bart schmierte. Noah Smith und seine klaren Worte imponierten ihr.
„Alles in Ordnung? Wollen wir noch irgendwo einen Kaffee … ich meine, einen Drink nehmen?“
Sie lächelte. „Kommen Sie. Ich weiß einen perfekten Ort.“
Noah blieb nichts anderes übrig, als Grace zu folgen.
Am Nachthimmel zogen sich dunkle Wolken zusammen, und erste Regentropfen fielen. Wenn sie sich nicht beeilten, würden sie bald vollständig durchnässt sein. Gerade als er fragen wollte, wohin sie ihn führte, zog sie ihn in einen Eingang.
Mit einem kecken Lächeln sah sie zu ihm hoch. Er holte tief Luft und vergaß den Regen, sah nur ihre glänzenden Lippen im Schein der Straßenlaterne. Ihr Lächeln erlosch, und sie sah ihn mit großen Augen an.
Das Geräusch des Regens auf dem Asphalt erfüllte sein Ohr, und er wusste, dass er sich gleich zu ihr hinunterbeugen würde, um sie zu küssen. Ein Impuls, gegen den er sich nicht wehren konnte.
Genau in dem Augenblick hörte er ein paar Schlüssel klappern, und Grace war plötzlich verschwunden. Verwirrt schaute er in die offene Tür und hörte ihre Schritte den dunklen Laden durchqueren.
„Warten Sie einen Moment“, rief sie aus der Dunkelheit heraus.
Sekunden später erhellte sich der Raum, während aus der Ferne erste Donnergeräusche zu hören waren. Grace kam zurück und verriegelte die Tür hinter ihm, bevor sie wieder zum Tresen zurückging.
„Hier gibt es den besten Kaffee von ganz Südost-London.“
Erst jetzt sah er, wo sie sich befanden. Der Raum war ein einziges Sammelsurium von unterschiedlichen Holztischen und Stühlen. Große, mit lila Samt bezogene Sofas standen in den Ecken, und an den Wänden hingen Bilder mit abstrakter Kunst und Fotos von Kaffeebohnen.
„Den besten?“
Grace stand hinter dem Tresen und schien ihre Redefreudigkeit wiedergewonnen zu haben. „Absolut. Ich weiß es, denn ich mache ihn. Was möchten Sie?“
„Espresso“, erwiderte er automatisch. „Einen doppelten.“
„Kommt sofort. Machen Sie es sich bequem.“ Er setzte sich in einen der niedrigen Sessel, während Grace die Maschine in Gang setzte. Eine Minute später brachte sie zwei Tassen und setzte sich neben ihn. Das Aroma von frisch gebrühtem Kaffee erfüllte den Raum, während sie schweigend den ersten Schluck nahmen.
Nur das schwache Licht vom Tresen erfüllte den Raum, doch sogar in diesem künstlichen Zwielicht gingen ein Strahlen und eine Lebendigkeit von ihr aus.
„Also, Noah … Wie kommt es, dass jemand wie Sie auf so einer Internetseite landet? Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich hätte nicht gedacht, dass Sie auf diesem Gebiet Hilfe benötigen.“
Noah dachte einen Moment nach und lächelte.
„Ich bin der Meinung, dass es egal ist, wo man jemanden kennenlernt. Am Ende ist es immer Glückssache. Warum also nicht übers Internet? Vielleicht geht es schneller.“
Grace rollte die Augen. „Wirklich sehr romantisch!“
Romantik. Was hieß das überhaupt? Wie die meisten Männer hatte auch er geglaubt, es bedeute Blumen, Pralinen und Candle-Light-Dinner, was er mühelos umsetzen konnte. In den fünf Jahren, die er mit Sara zusammen gewesen war, hatte sie versucht, ihm zu erklären, dass Romantik weit mehr bedeutete. Es ging darum, dass sich zwei Seelen auf einer tieferen Ebene begegneten. Er hatte ihr immer zugestimmt, wusste aber nie genau, was sie eigentlich meinte. Trotz aller Bemühungen seinerseits hatte sie ihn verlassen und ihm zu verstehen gegeben, dass es nicht genug war. Das eigentlich Tragische lag darin, dass er nicht gewusst hatte, wie er es hätte anders machen sollen.
Noah starrte durch das große Ladenfenster auf die regennasse Straße, wo inzwischen dicke Tropfen herunterprasselten. Diese Art der Romantik konnte unmöglich der Beginn einer erfolgreichen Beziehung sein.
Als er sie wieder ansah, bemerkte
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