Julia Extra Band 0354
Aufmerksamkeit zu erregen. „Was für ein schöner Hund!“
„Helena, das ist Benjamin, der Nachfolger deines Vaters“, stellte Oscar ihr den Gärtner vor.
Benjamin, ein großer, hagerer Mann mit einem Kopf voll grauer ungebändigter Locken, schüttelte Helena fest die Hand. „Louise hat mir so viel über Ihren Vater erzählt, Helena. Ich kann nur hoffen, dass meine Arbeit hier Gnade vor seinen Augen gefunden hätte.“
Helena freute sich über die Anerkennung, die er ihrem Vater zollte, und errötete. „Ganz bestimmt. Ich habe mir gestern Garten und Park angesehen und war begeistert.“
Louise legte Helena den Arm um die Schultern. „Was stehen wir hier draußen? Kommt alle rein, ich mache uns einen Kaffee.“
„Ich habe leider zu tun“, lehnte Benjamin freundlich ab, pfiff nach Rosie und verschwand mit ihr in Richtung Park.
Als sie am Tisch in der großen, gemütlichen Küche saßen, blickte Oscar die Haushälterin über den Rand seines Kaffeebechers hinweg fragend an. „Hat dich John Mayhew schon über Isobels Testament informiert?“
Sie senkte den Blick. „Isobel hat mich großzügig bedacht, das weiß ich, außerdem habe ich Wohnrecht, bis … bis klar ist, was mit Mulberry Court wird.“ Sie seufzte. „Das Haus in fremden Händen zu sehen, ist für mich eine schreckliche Vorstellung. Aber was hilft es, die Zeiten ändern sich, und wir müssen uns anpassen.“
„Noch ist es nicht so weit.“ Oscar räusperte sich. „Isobel hat Helena und mich als gleichberechtigte Erben eingesetzt und zur Auflage gemacht, dass Mulberry Court ein Jahr lang nicht veräußert werden darf. Erst mal bleibt also alles beim Alten, und Helena wird sogar in einigen Wochen hier einziehen, um vorübergehend hier zu wohnen.“
Louise strahlte. „Die erste erfreuliche Nachricht, seit Mrs Theotokis gestorben ist“, freute sie sich. „Benjamin und ich haben uns große Sorgen gemacht. Wir befürchteten schon, wir müssten umgehend unsere Sachen packen und Mulberry Court verlassen.“
Oscar stand auf. „Wir müssen jetzt gehen, denn wir haben im Haus einiges zu erledigen. Mein Kompliment, Louise, es wirkt alles so, als wäre Isobel noch da.“
„Benjamin und ich waren jeden Tag da und haben gelüftet und geheizt. Den Kühlschrank habe ich ausgeräumt und abgeschaltet, um Speisekammer und Gefrierschrank habe ich mich noch nicht gekümmert.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das Haus ist wie ein Schiff ohne Kapitän.“
„Dafür aber eins mit Mannschaft.“ Helena lächelte der alten Haushälterin aufmunternd zu. „Sobald ich in London alles geregelt habe, ziehe ich ein – in drei, vier Wochen, schätze ich.“
Louise drückte ihr eine Flasche Milch in die Hand. „Falls ihr euch Tee machen wollt“, erklärte sie. „Falls sonst etwas fehlt, melde dich.“
Gut, dass wenigstens Louise hier ist und sich um Helena kümmern kann, dachte Oscar, während sie zum Auto gingen, um das letzte Stück bis zum Haupthaus zu fahren.
Als sie ausstiegen, löste eine Windbö Helenas locker im Nacken zusammengefasstes Haar und wehte es ihr ins Gesicht. Lachend befestigte sie es wieder und griff in ihre Tasche. „Heute schließe ich auf“, erklärte sie und holte den Schlüsselbund hervor.
Nebeneinander gingen sie die Treppe hoch ins Haus, und Oscar folgte Helena in die Küche, in die hell die Morgensonne schien. Helena stellte die Milch auf den Tisch und setzte ihre Tasche auf einem Stuhl ab.
„Ich glaube, ich suche zuallererst nach Benjamin“, überlegte Oscar laut. „Wir brauchen ihn unbedingt, sonst haben wir hier in zwölf Monaten eine Wildnis anstatt Garten und Park. Vielleicht übernehmen die neuen Besitzer Benjamin ja auch.“
„Ich mag ihn – und Louise mag ihn augenscheinlich auch. Die beiden schienen mir sehr vertraut miteinander. Und Rosie habe ich sofort ins Herz geschlossen! Die Hündin ist eine ganz Liebe und gehorcht ihrem Herrchen aufs Wort.“
„Ja, seit Isobel ihn hier als Gärtner eingestellt hat, geht es mit Benjamin wieder bergauf.“
Fragend zog Helena die Brauen hoch, und Oscar erklärte ihr die Situation. „Isobel kannte ihn schon, als er noch ein erfolgreicher Manager in einem Großunternehmen war. Doch die Firma musste Konkurs anmelden, und Benjamin stand plötzlich auf der Straße. Aufgrund seines Alters fand er keinen neuen Job. Er musste sein Haus verkaufen, und seine Frau trennte sich von ihm. Die Krise bewirkte bei ihm ein Umdenken, er wollte raus aus der Stadt und aufs Land, nicht
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