Julia Extra Band 348
startklar?“
In gemütlichem Tempo joggten sie los. Wie immer liefen sie im Gleichschritt.
„Ich habe dich vermisst“, sagte er. Um diese Bemerkung weniger verräterisch zu machen, fügte er hinzu: „Mit dir zu laufen ist immer das Beste am Tag.“
„Ich habe dich auch vermisst. Und ich habe mir Sorgen gemacht.“
„Um mich?“
„Ich glaube, diese Frau geht dir zu nahe. Du bist ganz anders als sonst.“
„Ich hatte viel zu tun.“
„Und das ist alles?“
Jetzt war eine perfekte Gelegenheit gekommen, um etwas zu diesem Kuss zu sagen und sich zu … entschuldigen? Erklären? Nein, je weniger über das Thema gesagt wurde, desto besser.
„Und dann ist da noch mein Vater“, sagte er. Das war nicht komplett ausgedacht.
„Was ist mit deinem Vater? Ist er krank?“
„Nicht ganz. Er ist verrückt geworden.“ Da Chloe ihn fragend ansah, erklärte er: „Er heiratet wieder.“
„Ist das dann Nummer sechs oder Nummer sieben?“
„Nummer sechs, glaube ich. Aber ich habe aufgehört, mitzuzählen.“
Er lief schneller, doch Chloe hielt mit ihm Schritt. Neben sich hörte er sie rhythmisch ein- und ausatmen, was irgendwie tröstlich klang. Er mochte es, sie an seiner Seite zu haben.
„Das tut mir leid.“ Er wusste, dass sie das nicht nur so dahinsagte. Sie war die Einzige, die wusste, wie es für ihn war, eine Stiefmutter nach der anderen zu haben. „Wann ist die Hochzeit?“, fragte sie und geriet aus der Puste.
„Heute Nachmittag.“
Er sagte sich, dass er langsamer laufen sollte, aber seine Beine gehorchten ihm nicht. Chloe hielt etwa zwei Minuten mit ihm Schritt, doch dann fiel sie zurück. Nach und nach vergrößerte sich sein Vorsprung, bis sie aus seinem Blickfeld verschwand. Als er schließlich stehen blieb, brauchte sie einen Moment, um ihn einzuholen. Beide beugten sich vor und stützten die Hände auf die Oberschenkel.
Als sie wieder zu Atem gekommen war, fragte sie: „Geht es dir jetzt besser?“
„Nicht wirklich.“
„Um noch mal auf die Hochzeit deines Vaters zurückzukommen – hast du es erst jetzt erfahren?“
Er richtete sich auf und strich sich das feuchte Haar aus der Stirn. „Ich weiß es seit ein paar Monaten.“
„Warum hast du es mir nicht schon früher gesagt?“ Sie sah verletzt aus. „Erst verheimlichst du mir diese Frau, und jetzt das. Und dann …“
„Und was dann?“
„Ach, nichts.“ Doch er wusste, dass sie an den Kuss dachte. „Du bist ganz anders als sonst, Simon.“
Er ging über ihren Kommentar hinweg. „Ich hatte gehofft, dass sie es sich noch anders überlegen würde. Wenn sie klug ist, macht sie am Altar kehrt, bevor sie sagt: ‚Ja, ich will‘.“
„Gehst du hin?“
Simon zuckte mit den Schultern. „Ich wollte nicht hingehen, aber Dad hat mich gebeten, den Ring beim Juwelier abzuholen, also muss ich wohl hin.“
„Alleine?“
„Soll das heißen, dass du mich begleiten würdest?“
Eigentlich hatte Simon nicht vorgehabt, jemanden mitzunehmen. Doch gegen ein wenig Gesellschaft hatte er nichts einzuwenden – vor allem nicht gegen die von Chloe.
„Natürlich. Ich komme gerne mit.“
„Danke.“
Ihr zerzaustes Haar umrahmte ihr erhitztes Gesicht. Zu gern hätte er sie geküsst, vielleicht sogar ein wenig heftiger als letztes Mal. Darum sagte er: „Nächstes Wochenende würde ich gerne ein paar Freunde und Leute von der Arbeit zu einer kleinen Cocktailparty bei mir zuhause einladen.“
Auf die Idee war er an dem Abend nach dem Kuss gekommen, als er unruhig und ratlos wach gelegen hatte. Eine Cocktailparty wäre eine gute Gelegenheit, um sein Versprechen wegen Trevor in die Tat umzusetzen und so den Gute-Freunde-Status zwischen sich und Chloe wiederherzustellen. Damit würde er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, und der einzige Geschädigte wäre er selbst.
„Mich auch?“, fragte sie.
„Ja. Dann kannst du dich mal mit Trevor unterhalten und dein Kleid für das Klassentreffen Probe tragen.“
„Du machst das für mich?“
„Du müsstest Mrs Benson bei den Vorbereitungen helfen.“ Mrs Benson war seine Haushälterin.
„Danke, Simon. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich das freut!“
Tatsächlich? Wenn dem so war, warum runzelte sie dann die Stirn? Manchmal verstand er sie nicht.
In gemächlichem Tempo liefen sie den Rest ihrer Strecke durch den Park. Chloe war ihm dankbar, dass er nicht mehr so rannte, auch wenn sie verstand, warum er es getan hatte. Und sie fühlte mit ihm. So anstrengend ihre eigene
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