Julia Extra Band 348
gehabt. Die alten Wunden waren nun wieder aufgerissen. Er hatte in ihr Gefühle geweckt, das Verlangen, den Wunsch nach Liebe.
Eine Weile ließ sie den Tränen freien Lauf, dann ging sie ins Bad und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Sie schlüpfte aus dem Abendkleid und warf es aufs Bett.
Das Bett war riesig, von dem Baldachin hing ein Moskitonetz. Unter gar keinen Umständen würde sie hier die Nacht verbringen. Die Vorstellung, dass Raj nicht weit war, sie aber nicht zu ihm durfte, war unerträglich.
Aus ihrem Koffer nahm sie einen seidenen Morgenmantel und zog ihn an. Dann öffnete sie die Tür und schlüpfte hinaus. Sie wollte zu den Gästehäusern gehen, Martines Zimmer suchen und bei der Sekretärin übernachten. Wenn sie mit Raj unter einem Dach blieb, würde sie kein Auge zutun.
Doch plötzlich stand Raj vor ihr. Wortlos starrten sie einander an. Er trug kein Oberteil. Die Pyjamahose saß so tief, dass seine Hüftknochen zum Vorschein kamen.
Und die durchtrainierten Bauchmuskeln, die sich hart und fest unterhalb seiner breiten Brust abzeichneten. Ihr Mund wurde trocken. Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus.
„Wo willst du denn hin?“ Er zog spöttisch eine Augenbraue hoch.
Ihr Mund fühlte sich so trocken an, als sei sie stundenlang durch die Wüste geirrt. „Ich bin auf der Suche nach Martine“, sagte sie heiser.
„Ist es nicht ein bisschen spät, um einen Brief zu diktieren?“
Sie konnte ihm schlecht gestehen, dass sie vor ihm fliehen wollte. „Mir ist etwas Wichtiges eingefallen“, log sie.
„Das Gästehaus ist ziemlich weit.“ Er musterte sie von oben bis unten. „Und es gibt da draußen jede Menge Tiere, denen du in dieser Aufmachung bestimmt nicht begegnen möchtest.“
„Ich bin im Abendkleid am Strand gewesen.“
„Der liegt auch nicht im Dschungel.“
Gern hätte sie etwas erwidert, doch sie musste sich geschlagen geben. Wer wusste, was draußen für Gefahren auf sie lauerten? Insekten, Skorpione, Kobras? Bei dem Gedanken zitterte sie, öffnete die Tür und ging ins Haus zurück.
Raj trat ebenfalls ein und schloss die Tür hinter sich.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Wieder war er ihr so nah. Sein Duft war betörend, wie das Meer, der Wind – Indien.
„Du bist ganz durcheinander“, sagte er sanft.
„Bin ich nicht.“
Behutsam strich er ihr mit einem Finger über die Wange, dann hob er ihr Kinn an und sah ihr in die Augen. Das warme Licht aus dem Wohnzimmer hüllte alles in einen goldenen Schein. Sie hielt den Atem an. Würde einer von ihnen den Zauber brechen?
„Du bringst mich dazu, Dinge zu wollen, die eigentlich verboten sind“, flüsterte er schließlich.
Die empfindlichen Stellen ihres Körpers begannen zu pochen. „Wer verbietet sie dir? Hast du dein Schicksal nicht selbst in der Hand?“
Sein Lachen klang heiser. „Als ob es so einfach wäre, eine Entscheidung zu treffen und dann einen neuen Weg einzuschlagen.“
„Aber genauso macht man es.“
„Du weißt, dass das nicht stimmt. Das Leben macht mit einem, was es will, und man versucht, das Beste daraus zu machen.“
Nun lachte sie. „Bist du dabei glücklich? Wenn dem so ist, sollte ich das Leben vielleicht auch so betrachten.“
Sein Gesichtsausdruck wirkte gequält. „Du machst alles so kompliziert, Veronica.“
Ein scharfer Schmerz durchfuhr sie. „Behandel mich nicht wie ein Kind. Ich bin nicht durcheinander, und ich mache nichts kompliziert.“
„Du machst für mich alles so kompliziert. Deinetwegen stelle ich mich selbst infrage.“
„Jeder sollte seine Verhaltensmuster von Zeit zu Zeit infrage stellen.“
„Ach? Stellst du deine denn infrage?“ Er machte einen Schritt auf sie zu. „Bin ich immer noch der falsche Mann für dich?“
Sein Mund war jetzt so nah, dass ihr Körper vor Sehnsucht und Verlangen brannte.
„Absolut falsch“, erwiderte sie. „Ich will dich nicht.“
Er schenkte ihr ein selbstsicheres, sexy Lächeln. „Du lügst.“
Dann neigte er den Kopf und betrachtete sie. Obwohl ihr Herz wie wild schlug, hielt sie seinem Blick stand.
Himmel, wozu dieses Spiel? Sie wollte, dass er sie berührte, wollte noch einmal das Feuer spüren, das er vor zwei Nächten in ihr entfacht hatte.
Wenn sie noch länger warten musste, würde sie verrückt werden.
„Was willst du dagegen unternehmen?“ Eine erwartungsvolle Erregung breitete sich in ihrem Unterleib aus.
„Nichts. Wir werden uns mit dem Begehren begnügen müssen“, erwiderte er
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