Julia Extra Band 348
hatte ihnen nicht glauben wollen.
Raj zog sie in seine Arme und hielt sie lange fest. Sie schloss die Augen und atmete seinen Duft. Ihr Herz tat so weh, dass sie am liebsten für die nächsten hundert Jahre in einen tiefen Schlaf gefallen wäre.
Bevor er es aussprach, wusste sie, dass er trotz allem gehen würde.
„Du verdienst es, glücklich zu sein. Deshalb gebe ich dich frei.“
Am nächsten Morgen brachen sie in aller Frühe zu dem zehnstündigen Flug nach Aliz auf. Raj hielt sich während der Reise von Veronica fern, beobachtete sie aber. Sie war blass. Das Haar hatte sie zu einem losen Knoten gebunden, dazu trug sie ein schwarzes Kleid mit passender Jacke. Unter ihren Augen sah man dunkle Ringe und ihre Nasenspitze war rot, als hätte sie erst kürzlich geweint. Der Anblick brach ihm fast das Herz. Dennoch sah sie wunderschön aus, so erhaben und majestätisch. Das war fast wieder die Veronica, die er an jenem ersten Abend in London kennengelernt hatte. Diese Veronica hätte sich niemals dazu herabgelassen, mit einem Mistkerl wie ihm zu schlafen. Und es wäre das Beste gewesen.
Gestern Nacht hatte er wach gelegen. Sein Körper hatte sich nach ihrem verzehrt. Und sein Herz hatte sich nach ihr gesehnt. Die Erfahrung war neu, aber er hatte schnell an etwas anderes gedacht. Romantische Gefühle durfte es für ihn nicht geben. Wenn ihm nur ein kleines bisschen an ihr lag, könnte morgen alles schon wieder anders sein und er müsste weiterziehen. Nein, er durfte den Koffer nicht auspacken, ganz gleich, wie sehr er es sich auch wünschte.
Und doch lag ihm etwas an ihr. Als sie vor ihm gestanden und sich die Schuld an der Fehlgeburt gegeben hatte, da hätte er liebend gern einem gewissen André Girard einmal gehörig die Meinung gesagt. Sie hatte damals so viel Kummer und Schmerz ertragen müssen und jemanden an ihrer Seite gebraucht. Doch niemand hatte ihr beigestanden.
Etwas in ihm sagte ihm, dass er jetzt diesen Platz einnehmen könnte. Doch der Gedanke war absurd. Er hatte entschieden, was für beide am besten war, und er würde jetzt keinen Rückzieher machen, nur weil sein Herz sich anfühlte, als würde es brechen. Nein, er würde sie nach Aliz zurückbringen und einige seiner besten Leute zu ihrem Schutz dalassen. Nie wieder wollte er sich um ihre Sicherheit Sorgen machen müssen.
Er hatte Nachforschungen über die Leute anstellen lassen, die mit ihr in London gewesen waren: Keiner hatte einen Grund, ihr etwas anzutun. Der nachlässige Bodyguard war höchstwahrscheinlich bestochen worden. Nur: von wem?
Der ehemalige Präsident steckte nicht dahinter, womöglich aber der Polizeichef. Vielleicht hatte er von der Fehlgeburt erfahren und Veronica mit der Puppe in die Knie zwingen wollen. Bestimmt hatte er geglaubt, dass sein Putsch in Aliz nur Erfolg haben konnte, wenn Veronica freiwillig auf eine Rückkehr verzichtete.
Als sie auf dem Flughafen von Aliz landeten, warteten schon zahlreiche Fernsehteams auf sie. Auf dem Rollfeld standen Hunderte Menschen, die Fotos von Veronica in die Luft hielten und ihren Namen riefen, als sie so würdevoll wie eine Königin aus dem Flugzeug stieg.
Ihr Lächeln wirkte so selbstsicher, dass sein Herz vor Freude einen Sprung machte. Er war so stolz auf sie, obwohl er eigentlich gar kein Recht darauf hatte. Schließlich gehörte sie ihm nicht.
Sie trat an ein Mikrofon und hielt eine flammende Rede für Freiheit und Demokratie. Monsieur Brun war so weise gewesen, der Veranstaltung fernzubleiben. Nun konnte niemand mehr daran zweifeln, dass er die Macht wirklich an seine Nachfolgerin übergeben wollte. Nachdem Veronica die Fragen der Reporter beantwortet hatte, winkte sie der Menge zu und wandte sich zum Gehen.
„Stimmt es, dass Sie mit dem Geschäftsführer von Vala Security International eine Affäre haben?“, rief die Reporterin eines Klatschmagazins.
Er beobachtete, wie sie die Schultern durchdrückte, tief einatmete und zurück ans Mikrofon trat.
„Das war reine Tarnung. So konnte Mr Vala mich beschützen, ohne dass jemand Verdacht geschöpft hätte.“
„Sie haben sich die letzten Tage in seinem Haus in Goa aufgehalten. Warum dort?“
Veronica war nichts anzumerken. „Wir waren der Meinung, dass mein Leben in Gefahr sein könnte und ich untertauchen sollte.“
„Haben Sie mit ihm geschlafen?“
Die unverschämte Frage ließ die Menschen empört die Luft anhalten. Doch Veronica lachte, und ihr Lachen traf Raj mitten ins Herz.
Sie drehte sich zu ihm um.
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