Julia Extra Band 358
ihm in die Augen. „Ich arbeite für ein Modemagazin, und ein Teil meines Aufgabengebiets besteht darin, täglich in diesem Blog über die neuesten Trends und die Dinge zu berichten, die junge Frauen interessieren.“
„Du bist ganz schön oberflächlich, stimmt’s?“
„Es geht eben nicht immer um den Sinn des Lebens, sondern manchmal einfach nur um die schönen Dinge im Leben.“
„Wie zum Beispiel Geld für unnütze Sachen auszugeben und sich dabei zu verschulden?“
„Wie zum Beispiel Sachen zu tragen, in denen man sich gut fühlt.“ Sie zuckte die Schultern. „Ich schätze, so fühlt sich jemand wie du, wenn er die Uniform seiner Wahl trägt.“
„Aber nur, weil ich stolz auf meinen Job bin.“
„Und vermittelt dir das kein gutes Gefühl?“
Sie war wirklich clever, aber das hatte er gewusst. „So einfach ist das nicht.“ Daniel lehnte sich ebenfalls zurück. Da sie das Thema angeschnitten hatte, fügte er hinzu: „Offenbar ist der Bibliothekarinnen-Look gerade in.“
„Auf jeden Fall eher als dein Straßenräuberoutfit.“
Er neigte den Kopf und strich über das ausgeblichene U.S.M.C.-Logo auf seiner Brust. „Dieses Sweatshirt habe ich schon seit meiner Grundausbildung. Es hat für mich ideellen Wert.“
„Könnte das bedeuten, dass du ein Herz hast?“
„Ohne lebt es sich jedenfalls schlecht.“
„Genauso schlecht wie ohne Schlaf?“
Starr blickte er sie an.
„Die Wände sind eben dünn.“ Ihr mitfühlender Unterton gefiel ihm nicht. „Versuch doch mal, nicht vor dem Fernseher einzunicken – vor allem nicht bei einem Film, in dem ständig geschrien wird. War das der Horrorstreifen der Woche?“
„Machst du dir schon wieder Sorgen um mich? Wie süß von dir!“ Ihm war übel, denn sie hätte ihn fast durchschaut. In einem Anflug von Panik stand Daniel auf. „Da du anscheinend jeden Abend das Ohr an die Wand presst, werde ich versuchen, heute eine Doku mit Walgesang zu finden.“ Als er ihre Finger um sein Handgelenk spürte, blickte er auf sie hinunter. „Was ist?“
Jo ließ ihn los und schüttelte den Kopf, wobei sie seinen Blick mied. „Nichts.“
„Los, raus mit der Sprache.“ Demonstrativ sah er auf seine Armbanduhr. „In einer Stunde habe ich einen Termin bei meinem Chef.“
Nun blickte sie ihn wieder an. „Wegen des Vorfalls gestern?“
„Es wäre nicht das erste Mal, dass er mich zusammenfaltet, weil ich gegen die Vorschriften verstoßen habe.“
„Du hast einem Mann das Leben gerettet.“
Wollte sie ihm etwa Mut machen?
„Natürlich wäre es nicht unverdient“, fuhr sie fort. „Schließlich hättest du deine Kollegen in Gefahr bringen können.“
Das passte schon eher zu ihr. „Wir tun, was getan werden muss, wenn die Umstände es verlangen.“ Leise fügte Daniel hinzu: „Das solltest du eigentlich am besten wissen.“
Aus den Augenwinkeln blickte sie ihn an. „Aha, du glaubst schon wieder, mich zu kennen.“
„Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass du es deinen Mitmenschen in der Hinsicht nicht leicht machst?“
„Du bist die größte Nervensäge, der ich je begegnet bin.“
„Du bist immer noch eingerostet.“ Er schüttelte den Kopf. „Also üb fleißig weiter.“
„Und, wie läuft es mit deiner Aufgabe?“
„Wie?“ Jo blinzelte, bevor sie ihre ehemalige Mitbewohnerin anblickte. Da sie schon die zweite Nacht schlecht geschlafen hatte, fühlte sie sich wie gerädert.
Offenbar hatte Daniel sein Bett nach ihrem Gespräch von der Wand weggerückt, denn seine Schreie waren nicht mehr so laut gewesen. Trotzdem hatte sie es kaum ertragen.
„Die Aufgabe, die die Redaktion dir gestellt hat“, erklärte Jess. „Du sollst doch die Outfits von den Modestrecken tragen, um herauszufinden, ob die Leute dich darin anders sehen. Wahrscheinlich erinnerst du mich heute deswegen an eine französische Marktfrau. Aber die Baskenmütze steht dir.“
Jo senkte den Kopf, während sie mit den Krümeln auf ihrem Teller spielte. Seine Reaktion hatte ihr bewiesen, dass Daniel ihr den Grund für seine Albträume nicht verraten würde, wenn sie ihn danach fragte. Seltsamerweise hatte sie nicht das Bedürfnis verspürt, mit seiner Schwester darüber zu sprechen. Er war seiner Familie sehr wichtig, und wenn er irgendwelche Probleme hatte, würde diese ihm auf jede erdenkliche Weise helfen wollen. Allerdings würde er es ihr nicht einfach machen. Leider konnte sie nicht vergessen, wie ihm bei ihren Anspielungen die Farbe aus dem Gesicht gewichen
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