Julia Extra Band 359
Stolz. Raffte hastig den Ausschnitt ihres Negligés zusammen. Erst in diesem Moment merkte sie, dass ihre Hände gefesselt waren, mit einem weichen seidenen Schal fast so durchscheinend wie das Negligé, das ihren nackten Körper höchst unzureichend verhüllte.
Als sie sich wieder Harun zuwandte, bemerkte sie seine offenkundige Erregung. Ihr wurde ganz heiß vor Verlangen, während sie seinen Blick suchte und sein wissendes Lächeln registrierte, in das sich zum ersten Mal seit ihrer Hochzeit so etwas wie Zärtlichkeit mischte. Und doch rührte er sie nicht an. Er war eben nicht bereit, ihr das zu schenken, was sie sich so sehnlich wünschte: ein Kind, das sie lieben konnte und das sie lieben würde.
Um zu überspielen, wie es in ihr aussah, fragte sie barsch: „Was soll das? Wer hat mich so angezogen? Wo sind wir überhaupt?“
Bedauern huschte über Haruns Gesicht, bevor es sich wieder zu jener undurchdringlichen Maske verschloss, die sie so hasste. „Tut mir leid, das kann ich dir nicht beantworten. Aber ich versichere dir, dass ich dich nicht ausgezogen habe.“ Demonstrativ hob er beide Hände, die wie ihre mit einem Seidenschal zusammengebunden waren. Dann ließ er seinen Blick tiefer wandern, diesmal über ihren ganzen Körper.
Es war wie eine Liebkosung, als striche er mit den Fingerspitzen über ihre erhitzte Haut. Allein die Vorstellung ließ sie vor Erregung erschauern.
„Ich fürchte, im Moment haben wir andere Sorgen, meine Liebe“, sagte er.
Die Worte holten sie aus ihrem wohligen Zustand der Erregung in die Wirklichkeit zurück. „Was geht hier vor, Harun? Ich verstehe das nicht … Warum legt uns jemand fast nackt zusammen in ein Bett?“
Er sah sie ernst an. „Ich weiß es nicht. Tatsache ist, dass ich gerade erst einhundert Millionen US-Dollar für Alims Freilassung bezahlt habe. Was meinst du, wie viel Alim und dein Vater für unsere aufbringen können?“
„Ich … Ich fürchte, der Inhalt unserer Staatskasse ist in den letzten Jahren durch die Unruhen in der Golfregion gewaltig geschrumpft.“ Sie schwieg beklommen. „Meinst du, die al-Shabbats stecken hinter unserer Entführung?“
„Gut möglich, aber es kämen bestimmt noch ein Dutzend anderer hochrangiger Familien in Betracht, die gern die Macht an sich reißen würden. Bleibt nur zu hoffen, dass Alim und dein Vater das bedenken, bevor sie etwas unternehmen.“
„Ich frage mich, ob wir überhaupt schon vermisst werden.“ Sie merkte selbst, wie ängstlich sie klang, und ärgerte sich darüber.
„Ich weiß es nicht. Alim hat im Moment genug mit sich selbst zu tun. Vielleicht denkt er, dass wir uns irgendwohin zurückgezogen haben, um in Ruhe über unsere Probleme zu reden. Um unsere Ehe zu kitten.“
Ich wünschte, das hätten wir. Warum hast du dich all die Jahre dagegen gesträubt?
Aber im Moment gab es dringendere Fragen. Amber blickte an sich hinab. „Warum sind unsere Hände gefesselt, aber nicht unsere Füße? Und weshalb sind wir nicht geknebelt?“
Er wälzte sich halb zu ihr herum und strich mit dem Finger über ihre Hand. „Vielleicht möchte man, dass wir miteinander reden?“
Harun hatte tatsächlich einen Scherz gemacht! Amber konnte es kaum glauben. „Oh, das wäre zu schön“, seufzte sie. „Am Ende bringen sie dich noch dazu, dich endlich ganz normal mit mir zu unterhalten.“
Er grinste jungenhaft. „Es ist den Versuch wert, oder?“
Ein warmes Gefühl durchströmte Amber, und sie musste leise lachen. Doch gleich machte sie wieder eine besorgte Miene. „Sei bitte mal einen Moment ernst, ja? Also, wie kommen wir hier raus?“ Sie begann, nervös auf ihrer Unterlippe zu kauen.
„Knebel sind nicht nötig, unser Gefängnis liegt nämlich mindestens fünf Stockwerke hoch. Die Wände sind dick, und das nächste Gebäude ist mehr als hundert Meter entfernt. Wir können noch so viel schreien, es wird uns nicht helfen. Bestimmt sind vor dem Zimmer Wachen postiert. Ich habe jedenfalls durchs Fenster welche auf den Dächern der umliegenden Gebäude gesehen.“
Seine Worte müssten sie eigentlich zu Tode erschrecken, doch sie fühlte sich im Gegenteil geborgen wie lange nicht mehr – weil er hier bei ihr war und sein sanftes, hypnotisches Streicheln fortsetzte. „Hast du dich vorhin schon umgeguckt?“
Er nickte knapp. „Wir kommen hier nur raus, wenn sie uns freilassen. Die Entführung scheint perfekt geplant zu sein.“
Entführung. Was für ein furchtbares Wort. Plötzlich fühlte sich Amber
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