Julia Extra Band 363
vornehmen Restaurant. Sein grauer Anzug wirkte schlicht, aber teuer, ebenso das Hemd und die Krawatte. Geld schien für ihn keine Rolle zu spielen.
Endlich erlöste sie der Kellner, der die Speisekarten brachte. Emma stellte fest, dass auf ihrer Karte keine Preise verzeichnet waren. So viel vornehme Zurückhaltung hätte sie in Lyrebird Lake nicht erwartet. Es schien geradezu ein Hauch von großstädtischem Flair durch ihren Heimatort zu wehen. Nun, sie würde diesen außergewöhnlichen Abend in vollen Zügen zu genießen, mit allem, was dazugehörte.
Sie musterte Giannis markantes Profil, während er sich in die Weinauswahl vertiefte. Sein kräftiges, fast arrogant wirkendes Kinn, seine kantigen Wangenknochen und seine römische Nase verrieten Geradlinigkeit und Stärke. Er war wirklich ein außergewöhnlich attraktiver Mann. Noch dazu schien er sehr wohlhabend zu sein. Trotzdem fühlte sich Emma in seiner Gegenwart keineswegs eingeschüchtert.
Im Gegenteil, sie fühlte sich ihm auf merkwürdige Weise verbunden. Lag es an dem geheimnisvollen Ausdruck seiner Augen oder an dem leicht melancholischen Zug um seinen Mund? Sie wusste, dass dieser Mann ihr gefährlich werden konnte. Ihre inneren Alarmglocken schrillten, doch gleichzeitig genoss sie das Spiel mit dem Feuer.
Gianni sah sie neugierig an, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Sein Blick verriet eine solche Sehnsucht und Leidenschaft, dass Emma eine Gänsehaut über den Rücken lief.
„Champagner?“, fragte er mit samtweicher Stimme.
„Sehr gerne“, brachte sie mühsam hervor. Was würde erst der Alkohol in ihr anrichten, wo sie jetzt schon ganz benommen war? Andererseits könnte ein Glas Champagner sie vielleicht beruhigen.
„Haben Sie gewählt?“ Gianni deutete auf die Speisekarte, die ungelesen vor ihr lag.
Die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen. „Oh, es hört sich alles sehr verlockend an.“
Er lächelte. „Wie wäre es mit der Meeresfrüchte-Platte für zwei Personen?“
Unter dem Tisch berührte sein Knie wie unabsichtlich das ihre, und ihr Herzschlag schien für einen Moment auszusetzen.
„Klingt wunderbar“, murmelte sie und nahm schnell einen Schluck Mineralwasser. Das war auf jeden Fall besser für ihre Psyche als der Champagner, der soeben auf einem winzigen Silbertablett serviert wurde, dekoriert mit einigen saftigen roten Erdbeeren.
Während Gianni die Bestellung aufgab, bemühte Emma sich zu entspannen. Sie würde nicht für den Rest des Abends hier sitzen und ihn anstarren wie ein liebeskranker Teenager.
Sei vernünftig, befahl sie sich selbst. Schließlich ist auch der weltgewandte Gianni Bonmarito nur ein Mann aus Fleisch und Blut.
„Sagen Sie, Emma, kommen Sie ab und zu auch aus Lyrebird Lake heraus?“, fragte er, und ihr Herz stolperte erneut.
„Natürlich. Ich besuche jede Woche meine Mutter in Brisbane.“ Außerdem engagiere ich mich in einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Chorea-Huntington-Patienten und versuche, möglichst viele Spenden einzuwerben, damit diese teuflische Krankheit weiter erforscht werden kann. Doch das ging ihn nichts an.
„Haben Sie noch Kontakt zu Graces Vater?“
Warum brachte er auf einmal Tommy ins Spiel? Soweit Emma wusste, tourte dieser momentan fröhlich mit seiner Band durch die Niederlande. „Lassen wir dieses Thema“, sagte sie ausweichend.
Giannis Miene war undurchdringlich. Immerhin hatte er den Hinweis verstanden und wechselte das Thema. „Es war eine interessante Zeit für mich in Lyrebird Lake. Die Beerdigung hat mich weniger mitgenommen, als ich befürchtet hatte. Es ist tatsächlich schade, dass ich nicht noch ein paar Tage bleiben kann.“
Emma war eigentlich recht froh darüber. „Erzählen Sie mir etwas über Ihre Arbeit beim internationalen Rettungsdienst“, lenkte sie ab.
„Darüber spreche ich nicht gerne“, sagte er augenzwinkernd und spielte damit auf ihre vorherige Antwort an. „Nur so viel, dass ich mir nach meinem letzten Einsatz eine Auszeit genommen habe. Reden wir doch lieber über Ihre Arbeit.“
„Da rennen Sie bei mir offene Türen ein. Hebamme zu sein ist einfach wunderbar.“ Emmas Augen leuchteten, als sie begann, ihren Alltag in der Geburtsklinik zu schildern. Ihre Stimme verriet die Leidenschaft, mit der sie ihren Beruf ausübte.
Gianni hätte ihr ewig zuhören können. Er hatte sich nette Gesellschaft beim Essen versprochen, doch der Verlauf des Abends übertraf seine Erwartungen.
Schon jetzt war er völlig fasziniert
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