Julia Extra Band 364 (German Edition)
Mappe in die Hand. Das Herz zersprang ihr in der Brust. Ein Teil von ihr hatte immer gewusst, dass es so kommen würde, nur hatte sie sich an die Hoffnung geklammert, dass ihr Traum vielleicht doch wahr werden könnte.
Dabei hätte sie es wissen müssen. Ein Mann wie Théo St. Raphaël band sich nie lange an eine Frau …
„Ich bin fertig mit dir“, sagte er brutal. „Flieg nach Amerika zu deiner Familie zurück.“
Carrie hatte keine Erinnerung daran, wie sie vom Arbeitszimmer nach draußen gekommen war. Plötzlich fand sie sich vor der wartenden Limousine wieder, und der Chauffeur hielt die Wagentür für sie auf. Benommen stieg sie auf die Rückbank zu Henry in seinem Kindersitz.
„Wo ist Théo?“ Lilley drehte sich vom Beifahrersitz zu ihr um und erschrak, als sie Carries Gesicht sah. „Was ist denn?“
„Die Hochzeit ist abgesagt“, erwiderte Carrie benommen. „Ich fahre allein nach Hause. Du brauchst also nicht mitzukommen.“
„Was?“ Lilleys lauter Ausruf weckte Henry auf. Er begann zu weinen.
„Théo liebt mich nicht“, flüsterte Carrie. „Er will seine Freiheit behalten.“
Lilley starrte sie an, dann schüttelte sie den Kopf. „Unsinn! Ich habe doch gesehen, wie er dich anschaut.“
„Alles nur Lüge.“ Carrie sah zum Fenster hinaus. Das Château wirkte kalt und leer. Selbst die wunderschöne Landschaft hatte alle Farbe verloren. „Die Hochzeit findet nicht statt“, wiederholte sie.
„Hat er gesagt, warum?“
„Ich klammere.“
Die herzensgute, langmütige Lilley wurde wütend. „Also, wenn er dich so behandelt, dann … dann kündige ich!“
„Aber Théo ist doch dein Cousin …“
„ Entfernter Cousin! Und im Moment lange nicht entfernt genug“, sagte Lilley. Sie stieg vorn aus und hinten ein, hob den weinenden Henry auf ihre Schulter und beugte sich zum Chauffeur vor. „Worauf warten Sie noch? Zum Flughafen!“
Carrie war unendlich erleichtert. Sie würde den langen Flug nicht allein machen müssen. „Danke“, flüsterte sie. „Was wirst du in Seattle machen?“
Lilley lehnte sich wieder in die Polster zurück. „Ich fahre zu meinem Freund nach San Francisco.“
„Du hast einen Freund?“, fragte Carrie überrascht.
„So etwas Ähnliches“, murmelte Lilley.
„Ich hoffe von ganzem Herzen, dass du glücklich wirst“, meinte Carrie leise.
Lilley seufzte und wurde gleich wieder kämpferisch. „Mach dir um mich keine Sorgen. Und Théo wird schon bald bereuen, was er getan hat. Glaub mir, er …“
Carrie hörte nicht mehr zu. Sie lehnte die Stirn an die kühle Scheibe und starrte auf die vorbeifliegende Landschaft, während Lilley weiterschimpfte. Sie fühlte sich bleiern, und ihr war schwer ums Herz.
Sie schloss die Augen und sah plötzlich wieder Théos gequälte Miene vor sich. Dir und Henry wird es bei deiner Familie besser gehen. Ohne mich. Du wirst einen Mann finden, der dich liebt …
Der Wagen bremste ab. Sie öffnete die Augen und stellte verwundert fest, dass sie bereits am Flughafen angekommen waren. Lilley stieg aus und legte Henry in die Tragetasche, Carrie kam ihr nach. Sie stolperte mehr, als dass sie ging, selbst auf der ebenen Startbahn, auf der Théos Privatmaschine wartete.
Ein letztes Mal drehte sie sich um und ließ den Blick über die Landschaft schweifen, die sie nie wiedersehen würde. So wie sie nie wieder eine solch tiefe Liebe für einen Mann fühlen würde.
Noch vor einer Woche hatte sie sich nichts anderes gewünscht, als von hier fortzukommen. Sie hatte jetzt alles, was sie gewollt hatte. Théo würde Teilzeitvater werden, und sie würde den Rest ihres Lebens nicht als ungeliebte Ehefrau verbringen müssen. Sie brauchte nicht einmal mehr für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten und konnte sich ganz auf ihren Sohn konzentrieren, genau wie sie es immer gewollt hatte. Théo hatte ihr ihren Wunsch erfüllt.
Der Gedanke ließ sie abrupt stehen bleiben. Wieso? Er hatte sie doch so weit gebracht, dass sie der Heirat zugesagt hatte. Wieso ließ er sie dann jetzt gehen?
Er hatte Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, damit sie ihn heiratete. Wieso gab er auf einmal nach? Sie war so überwältigt vom eigenen Schmerz gewesen, dass sie seine angespannten bleichen Züge gar nicht bemerkt hatte.
Ich werde mich immer um euch beide kümmern. Euer Glück ist mir wichtiger als mein eigenes.
Sie schloss die Augen. Théo hatte sie nicht gehen lassen wollen. Er hatte seinen Plan ihrem Wunsch geopfert.
Warum?
Als sie die Augen öffnete,
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