Julia Extra Band 376
„Ich gehe nirgendwo hin.“
Dankbar nahm sie seine Unterstützung an. Manchmal war sie es einfach müde, allein zu sein.
Wenige Minuten später erschien schon Dr. Palo, ein älterer Herr mit gütigem Gesichtsausdruck. Er trug seine schwarze Arzttasche bei sich. Nachdem er Vanessa die Hand gegeben hatte, fragte er sie auf Englisch: „Wie alt ist Ihr Kind?“
„Sechs Monate.“
„Gesund?“
„Eigentlich ja. Außer einer leichten Erkältung hatte sie noch nie etwas. Ihr hohes Fieber kann ich mir absolut nicht erklären.“
„Hat sie alle üblichen Impfungen erhalten?“
Vanessa nickte.
„Sie sind erst vor Kurzem mit dem Flugzeug hergekommen, richtig?“
„Vor fünf Tagen.“
Dr. Palo legte Mia die Hand auf die Stirn. „Können Sie sie bitte auf den Wickeltisch legen?“
Damit Vanessa leichter aufstehen konnte, bot Marcus an, ihr Mia abzunehmen. Von Mia kam kein Protest, als Marcus sie so vorsichtig und liebevoll wie ein Vater auf den Wickeltisch legte. Dr. Palo untersuchte sie genauer, während er gelegentlich die eine oder andere Frage stellte. Als er sich Mias Ohren zuwandte, begann sie plötzlich zu protestieren.
Als er sich wieder aufrichtete, fragte Vanessa: „Ist es etwas Ernstes?“
„Nein, nein. Nur eine Entzündung im Ohr.“
Vor Erleichterung hätte Vanessa beinahe angefangen zu weinen. Sie nahm Mia auf den Arm. „Wo kann sie sich die eingefangen haben?“
„Vielleicht ist es ein Virus. Ein leichtes Antibiotikum sollte schnell helfen. Und das Paracetamol wird das Fieber senken.“
Es schien schon zu wirken. Mias Wangen glühten nicht mehr so stark, und ihre Augen waren weniger glasig. „Kann das der Grund gewesen sein, warum sie auf dem Flug so unruhig war?“
„Ich glaube kaum. Einige Kinder sind nur besonderes sensibel, was den Kabinendruck angeht.“
„Was kann ich dagegen tun?“
„Zunächst einmal sollte sie nicht an die Luft, bis die Entzündung abgeklungen ist. Und auf dem Rückflug sollten Sie Ohrstöpsel ausprobieren. So lässt sich der Luftdruck regulieren.“
Falls wir zurückfliegen, dachte Vanessa. Sie sah zu Marcus, der sie beobachtete. Dachte er dasselbe?
„Als Allererstes aber sollte die Kleine schlafen. Ich werde Ihnen die Antibiotika gleich schicken lassen. Befolgen Sie einfach die Angaben auf der Packung. Und wenn es ihr am Morgen nicht besser geht, rufen Sie bitte an. Ansonsten komme ich übermorgen wieder.“
„Vielen Dank, Dr. Palo.“ Vanessa reichte ihm die Hand.
Nachdem er aufgebrochen war, fragte Karin: „Soll ich Mia wieder in ihre Wiege legen?“
Vanessa schüttelte den Kopf. „Heute Nacht möchte ich, dass sie bei mir schläft. Und vielen Dank, dass du mich gleich angerufen hast.“
Karin nickte und wollte schon in ihr Zimmer gehen, aber dann drehte sie sich um. „Mia ist stark, sie wird sich sicher schnell erholen“, sagte sie lächelnd.
Als sie die Tür geschlossen hatte, wandte Vanessa sich Marcus zu. Er hatte sein Jackett ausgezogen und lehnte mit verschränkten Armen an der Wand. „Danke“, sagte sie.
Er neigte den Kopf. „Wofür?“
„Dafür, dass du gleich den Arzt alarmiert hast. Und dass du an meiner Seite bist. Ihr habt vermutlich keine tragbare Wiege, oder? Mia bewegt sich im Schlaf so viel, dass ich fürchte, sie könnte aus meinem Bett fallen.“
Marcus holte sein Telefon hervor. „Bestimmt gibt es hier irgendwo so etwas.“
Das Antibiotikum wurde fünfzehn Minuten später gebracht, und Vanessa verabreichte Mia eine erste Dosis. Bald darauf schon hatte man auch eine Wiege in Vanessas Schlafzimmer aufgestellt. Sie legte Mia hinein, die an ihrer Schulter eingeschlafen war, und deckte sie mit einer leichten Decke zu. Sanft strich sie ihr über die Stirn, erleichtert, dass die Temperatur schon zurückgegangen war.
Nach einem letzten Blick auf ihre Tochter ging sie ins Wohnzimmer der Suite, wo Marcus wartete. Bis auf eine Tischlampe war es dunkel im Raum. Marcus stand bei den Balkontüren und schaute nach draußen in die Nacht. Ihr erster Gedanke war, zu ihm zu gehen, ihm die Arme um die Hüften zu legen und ihre Wange an seinen Rücken zu schmiegen. So würden sie eine Weile ruhig stehen bleiben, bis er sich zu ihr umdrehte, sie umarmte und küsste, wie er sie am Abend zuvor geküsst hatte.
Aber sosehr sie es sich auch wünschte, ja geradezu schmerzhaft wünschte, war es doch unmöglich.
„Mia schläft“, sagte sie. „Ich glaube, es geht ihr schon besser.“
Marcus drehte sich zu ihr. „Das ist gut.“
Ihr
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