Julia Extra Band 376
dank meiner Sicherheitsleute normalerweise in gebührendem Abstand. Das ist ein Teil des Lebens, wenn man zu einer Herrscherdynastie gehört.“
„Dann möchte ich lieber nicht dazugehören“, meinte sie bedrückt.
Raul lächelte überraschend mitfühlend. „Ich auch nicht, was diesen Aspekt betrifft.“ Er drückte ihre Hand. „Das mit dem Foto tut mir wirklich leid. Wenn mir bewusst gewesen wäre, dass man uns sehen konnte …“
Zu ihrem eigenen Erstaunen stellte sie fest, dass sie ihm glaubte. „Aber … selbst wenn die Presse so groß über unseren … Bootsausflug berichtet hat“, wandte sie ein, „begreife ich nicht, warum die Leute so viel Wirbel um meine Ankunft machen.“
Sein Lächeln verschwand. „Wie ich schon sagte, ich habe meine Bediensteten angewiesen, auf Anfrage zu erklären, wer du bist.“
„Mein Name bedeutet den Monteregianern doch gar nichts.“
Er sah sie forschend an. „Aber dein Titel. Prinzessin Luisa von Ardissia.“
Sie erstarrte, als sie begriff. „Noch bin ich nicht Prinzessin. Ich habe noch nicht unterschrieben.“
„Aber du wirst es tun“, sagte er sanft. „Deshalb bist du doch mitgekommen, oder?“
Sie nickte, obwohl sie sich schrecklich in die Enge getrieben fühlte. Plötzlich kam ihr ein Verdacht. „Das ist nicht alles, was man den Leuten gesagt hat, stimmt’s?“ Sie schob die Jacke von ihrem Schoß und beugte sich beschwörend zu Raul vor. „Man hat auch ganz nebenbei den Heiratsvertrag erwähnt, richtig?“
„Das ist kein Geheimnis, Luisa. Obwohl die Details nicht vielen bekannt waren.“
Mit klopfendem Herzen lehnte sie sich wieder in den Sitz. „Du gibst nicht auf, nicht wahr? Was hoffst du, damit zu erreichen? Mich so unter Druck zu setzen, dass ich einwillige?“ Wahrscheinlich hatte er geargwöhnt, dass sie immer noch nach Wegen suchte, der Heirat zu entkommen. Müde rieb sie sich die schmerzenden Schläfen. „Hör zu, ich lasse mich nicht zu einer Heirat zwingen, nur weil die Öffentlichkeit in Monteregio es erwartet. Wenn ich einen Rückzieher mache, wird sich das Interesse der Presse ganz auf dich konzentrieren. Den sitzen gelassenen Thronfolger.“
Raul wurde kreidebleich. Unwillkürlich wich Luisa zurück.
„Niemand wird sitzen gelassen“, sagte er eisig. „Ich werde mein Volk nicht dem Chaos überlassen, das entsteht, wenn ich auf den Thron verzichten muss.“ Er machte eine bedeutsame Pause. „Vergiss nicht, warum du mitgekommen bist.“
Sie hatten die Altstadt erreicht und fuhren über einen großen, gepflasterten Platz, gesäumt von pastellfarbenen Barockbauten, in denen sich exklusive Läden befanden. Die Limousine bog ab, und ganz unvermittelt erhob sich vor ihnen ein steiler Anstieg, fast eine Felswand, auf deren Gipfel wie aus dem Fels gewachsen das fürstliche Schloss thronte. Es war aus dunkelgrauem Granit erbaut, mit runden Türmen und moosgrünen Dächern, die sich über die massiven Wehrmauern erhoben.
In Reiseführern wurde das Schloss als herausragendes Beispiel mittelalterlicher Baukunst gepriesen. Im Innern gab es zudem prächtige Salons aus der Barockzeit und einen Ballsaal, der als architektonisches Schmuckstück galt. Die Schatzkammer suchte in Europa ihresgleichen. Natürlich war für den heutigen Komfort alles behutsam modernisiert worden.
Luisa aber war aus all den Informationen vor allem im Gedächtnis geblieben, dass fast ein Jahrtausend lang niemand aus den Kerkern des Schlosses entkommen konnte, der auf Befehl des Fürsten dort eingeschlossen worden war.
Ihre Suite im Schloss war geräumig, hell und opulent ausgestattet. Doch sie hatte für all den Luxus kaum einen Blick.
Nachdenklich stand sie an den großen Fenstern und blickte in die Ferne auf die schneebedeckten Berge. Dort lag Ardissia, ihre Verbindung zu einem Leben in Reichtum, Ruhm und leerem Glanz statt der bisherigen emotionalen Wärme und Sicherheit. Ihre Verbindung zu Raul, dessen Ehrgeiz sie abschreckte, auch wenn er die aufregendsten Gefühle in ihr weckte.
Gedankenverloren glitt ihre Hand über den antiken Schreibtisch. Sie hatte durchaus etwas für die schönen Dinge übrig. Aber sie wusste auch, dass all das kein Ersatz für wirkliches Glück war. Kein Ersatz für echte Wärme. Fürsorge. Liebe. Sie war in einer liebevollen Familie aufgewachsen und wollte sich niemals mit weniger zufrieden geben.
Spontan griff sie zum Telefon und wählte die Nummer der Farm in Australien.
„Ach Liebes, wie schön, deine Stimme zu hören!“,
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