JULIA GOLD Band 32
richtig beurteilt. Ja, sie war noch eine Knospe, in die schützenden Blätter der Unschuld gehüllt, und wartete auf die Liebe eines Mannes, bevor sie voll erblühen konnte.
Nachdem sie bezahlt hatte, folgte sie Rashid schweigend und nachdenklich. Sie wollten gerade auf die Straße hinaustreten, als der Händler ihnen etwas auf Arabisch nachrief.
Rashid drehte sich um. „Einen Augenblick“, sagte er kurz und ging zurück.
Felicia zögerte. Sie wusste nicht recht, ob sie ihm folgen sollte oder nicht. Die beiden Männer sprachen leise miteinander, und um nicht neugierig zu erscheinen, blieb sie in der Tür stehen.
Der alte Araber machte sich erneut an seinen Regalen zu schaffen. Ein Duft nach englischem Lavendel, der sie an ihre Heimat erinnerte, stieg Felicia in die Nase, dann ein etwas würzigerer Geruch. Der Mann warf etwas mit einer Pinzette in eine Schale, und Felicia glaubte, wilde Veilchen zu erkennen. Rashid schien also noch mehr Parfüm kaufen zu wollen. Aber für wen? Für seine Schwester? Oder vielleicht für eine andere Frau … eine Frau, die je nach Bedarf in die Rolle der kameradschaftlichen Freundin aus dem Westen oder der demütigen Sklavin aus dem Osten schlüpfen konnte?
„Miss Gordon?“
Wie oft würde sie noch hören müssen, dass ihr Name mit diesem beleidigenden Hochmut ausgesprochen wurde?
Rashid kam mit düsterer Miene auf sie zu. „Haben Sie es schon wieder vergessen, oder macht es Ihnen Spaß, genau das Gegenteil dessen zu tun, was ich Ihnen sage?“
Felicia fuhr herum. Sie legte zwar keinen Wert darauf, mit diesem Mann zu streiten, aber sie würde nicht zulassen, dass er ihren Stolz verletzte. „Ich bin draußen geblieben, weil ich Sie nicht stören wollte“, erklärte sie empört. „Ihr Geschäft war offensichtlich privater Natur … wahrscheinlich ein Geschenk für eine Frau, die zwar Ihr Bett teilen, aber ansonsten in keiner Weise an Ihrem Leben teilhaben darf.“
„Damit haben Sie genau den Typ Frau beschrieben, für den dieses Parfum bestimmt ist. Aber der Parfumhändler teilt meine Ansicht über Sie offenbar nicht.“ Rashid lachte, als er Felicias bestürzten Gesichtsausdruck sah. „Konnten Sie sich das nicht denken? Der alte Mann hat das Parfum für Sie gemacht. Es war seine Idee, nicht meine. Hier, nehmen Sie.“ Damit drückte er ihr ein kleines Päckchen in die Hand. „Er behauptet, dass darin die Unschuld liege, die Sie seiner Meinung nach ausstrahlen. Ich wollte ihm nicht sagen, dass seine Augen ihn trügen. Ich kenne meinen Neffen, Miss Gordon, ich weiß, mit welcher Art von Frauen er sein Leben verbringt.“
Felicia drehte sich um. Sie hatte nur eins im Sinn: fortzulaufen von diesem Mann. Doch Rashid streckte blitzschnell seine Hand aus und hielt sie fest.
„Seien Sie vernünftig“, warnte er sie. „Selbst heute sind die Souks nicht ganz sicher. Sie könnten sich leicht verlaufen, und ich glaube, das wollen wir beide nicht.“
Felicia warf den Kopf zurück. „Sie wären der Letzte, von dem ich mich retten lassen würde, Scheich Rashid.“
Sie riss sich von ihm los und fing an zu laufen, an den Läden vorbei, aus denen verächtliche Blicke der hellhäutigen Frau folgten, die da unverschleiert durch die Hitze des Mittags lief. Ihr Herz klopfte wild, ihr Puls raste, doch sie hörte nur noch das Geräusch der unbarmherzigen Schritte hinter sich, die ihr folgten.
Er holte sie ein, drehte sie zu sich herum und schüttelte sie grob. „Närrin! Fällt Ihnen in der Hitze nichts Besseres ein, als so zu rennen? Wollen Sie, dass ich Ihnen wirklich einen Grund gebe, vor mir davonzulaufen?“
Felicia sah zu ihm auf, und ein Verlangen überkam sie, vor dem sie zutiefst erschrak: Sie, die noch nie in ihrem Leben einen Mann absichtlich herausgefordert hatte, empfand eine tiefe Befriedigung beim Anblick der Wut in Rashids Augen und den Wunsch, ihn noch weiter zu reizen.
Ihr gesunder Menschenverstand warnte sie vor den möglichen Folgen, aber das war ihr jetzt egal. Sie wollte, dass Rashid ihre Verachtung spüren sollte, so wie sie die seine hatte ertragen müssen. „Sie haben mir Grund genug gegeben, aber in Ihrer Arroganz werden Sie das wohl niemals zugeben.“
Seine Finger pressten sich noch tiefer in ihren Oberarm. Er lächelte mitleidlos. „Wir sind hier im Orient. Ich könnte Sie auf der Stelle für das, was Sie soeben sagten, bestrafen, und kein Mensch würde etwas dagegen unternehmen, selbst dann nicht, wenn ich Sie öffentlich züchtigte. Nehmen Sie
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