Julia James
Bedenken waren wie ausgelöscht. Sie fühlte sich unendlich leicht und frei. Aus diesem Traum wollte sie noch nicht erwachen, denn er war alles, was ihr von Cesar Montarez bleiben würde. Schon morgen würde sie sich der hässlichen Wirklichkeit stellen müssen.
Doch nicht jetzt, noch nicht.
"Rosalind?" ertönte Cesars tiefe Stimme in Rosalinds Gedanken hinein.
Sie brauchte einige Sekunden, ehe sie sich wieder gefangen hatte. "Hat man von der Kasinoterrasse auch einen Blick aufs Meer?" hörte sie sich fragen.
"Einen einmaligen sogar", erwiderte er lächelnd. "Möchten Sie sich davon überzeugen?"
Er führte sie zu mehreren Flügeltüren, die auf eine weitläufige Terrasse hinausführten. Und die Aussicht war wirklich fantastisch. Überwältigt legte Rosalind die Arme auf die Balustrade und ließ den Blick schweifen. Jenseits der Gartenanlagen fiel das Land zum Meer hin ab. Stufen führten zum Strand hinunter. Das Hotel und die Bungalows waren hinter geschickt platzierten Bäumen und Büschen verborgen. Nur der Yachthafen war erleuchtet, und Luxusyachten dümpelten leicht an ihren Ankerplätzen. Die Nachtluft war mild und erfüllt vom Zirpen der Grillen. Am Himmel funkelten die Sterne, und das Wasser glitzerte.
Rosalind blickte sich um. Sie genoss das sanfte Spiel der nächtlichen Brise in ihrem Haar und auf den nackten Armen. Dann spürte sie eine leichte Berührung auf der Haut.
Sie stand ganz still da, als Cesar hinter sie trat und die Fingerspitzen behutsam über ihre Arme gleiten ließ. Fast hätte sie sich an ihn gelehnt, um die Wärme seines Körpers zu spüren. Sie sehnte sich danach, dass er die Arme um sie legte und sie an sich zog.
Dennoch blieb sie reglos stehen. Wenn sie sich auch nur etwas bewegte, würde er sich ermutigt fühlen, sie zu liebkosen, zu küssen und mit ihr zu schlafen. So offen durfte sie ihm nicht zeigen, was sie für ihn empfand.
Deshalb bewegte sie sich nicht, und die Zeit schien stillzustehen. Es gab nur noch Cesars zärtliche Berührungen. Alles in Rosalind schien sich zu verspannen, doch sie blieb ruhig stehen, weil sie sich wünschte, der herrliche Augenblick würde nie aufhören. Sie schloss die Augen, wagte kaum zu atmen und gab sich den wunderbaren Empfindungen hin.
"Cesar! Hier sind Sie also!" durchbrach eine laute Stimme die Stille.
Die zauberhafte Stimmung löste sich sogleich auf. Rosalind zuckte zusammen, und Cesar gab sie sofort frei. Sie spürte, dass er zurückwich und sich von ihr abwandte.
"Pat. Schön, Sie zu sehen", begrüßte Cesar den Mann höflich.
Einen Moment lang atmete Rosalind tief ein, dann drehte sie sich um.
Ein Mann mittleren Alters im weißen Abendjackett kam mit einem Whiskyglas in der Hand auf Cesar zu.
"Na, haben Sie über mein Angebot nachgedacht, Cesar?" fragte er mit unverkennbar irischem Akzent.
"Natürlich", erwiderte dieser leutselig. Pat O'Hanran meinte den neuen Luxusgolfclub, den er mit der Ferienanlage El Paraíso zusammenlegen wollte. Obwohl eine Verbindung der beiden Unternehmen vorteilhaft erschien, wollte Cesar im Moment nicht darüber reden.
"Wenn es Ihnen recht ist, komme ich morgen mit meinem Architekten und dem Landschaftsarchitekten bei Ihnen vorbei, um mir Ihre Anlage anzusehen", schlug er vor.
Der Mann war einverstanden. Nach einem prüfenden Blick auf Rosalind beendete er die Unterhaltung und kehrte ins Kasino zurück.
"Bitte entschuldigen Sie", sagte Cesar leise.
"Selbstverständlich. Ich möchte Sie auch nicht mit Beschlag belegen", erklärte Rosalind vorsichtig.
In seinen dunklen Augen blitzte es auf. "Sie tun mehr als das", erwiderte er rau und nahm ihren Arm. "Und was würden Sie jetzt gern machen? Ihr Glück erneut versuchen? Champagner trinken? Oder etwas essen? Oder etwas ganz anderes?" Da war wieder dieses Funkeln in seinen Augen, und es überlief Rosalind heiß. "Vielleicht würden Sie gern noch die Aussicht genießen?"
"Es wäre nicht schlecht, jetzt etwas zu essen", erwiderte Rosalind, obwohl ihr die Stimme nicht so recht gehorchen wollte.
Cesar lächelte. "Das ist ein guter Vorschlag", antwortete er ruhig.
Was mache ich hier eigentlich? dachte Rosalind, während sie Cesar Montarez am Erkerfenster des Kasinorestaurants gegenübersaß. Es war gut besucht, doch Rosalind hatte nur Augen für Cesar.
Das Essen war ausgezeichnet, und Rosalind ließ sich das köstliche Fischgericht und den kühlen Weißwein auf der Zunge zergehen. Seit einer halben Ewigkeit hatte sie nicht mehr so gut gegessen.
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