JULIA SOMMERLIEBE Band 21
gefährlich und flatterte um ihre schlanken Oberschenkel.
Rasch ließ sie ihre Arme fallen. „Und sonst wird auch keiner auf deine Lügen hören. Sie werden mir glauben …“
„Aber du wirst nicht in der Nähe sein, um ihnen die Wahrheit zu sagen“, entgegnete er ruhig. „Du wirst hier bei mir sein. Du hast doch nicht geglaubt, ich würde dich so einfach gehen lassen, oder?“
„Irgendwann wirst du mich aber gehen lassen müssen.“ Sie versuchte, ihrer Stimme einen zuversichtlichen Unterton zu verleihen.
„ Irgendwann könntest du herausfinden, dass du gar nicht gehen willst …“
Sein bedeutungsschwangeres Flüstern ließ alle Alarmglocken in ihrem Kopf schrillen. Was wollte er denn damit andeuten? Dass er vorhatte, sie hier zu behalten und seine Fantasien mit ihr auszuleben? „Du kannst mich nicht ewig hier gefangen halten“, protestierte sie schwach.
Gleichgültig zuckte er mit den Schultern. „Wer hält dich denn hier gefangen? Du bist aus deinem eigenen freien Willen hierher gekommen. Du hast sogar schon ein Fax an dein Büro geschickt, dass alles in Ordnung ist und du am Tag vor der Hochzeit mit dem Einigungsvertrag zurück sein wirst. Niemand ist misstrauisch. Glaube also nicht, dass jemand zu deiner Rettung herbeigeeilt kommt.“
Das stimmte allerdings. Sie war viel zu verschwiegen, viel zu entschlossen gewesen, das Problem selbst zu lösen.
Sie hatte Nicholas Roses Anwalt einen Besuch abgestattet, um ihn zu informieren, dass ihre Schwester krank geworden und es ihr deshalb nicht möglich sei, die Papiere – wie abgemacht – persönlich vorbeizubringen. An jenem Tag war sie noch ganz benommen gewesen von der Entdeckung, die sie in Jannas Wohnung wenige Augenblicke zuvor gemacht hatte.
In dem Anwaltsbüro stieß sie mit einer Sekretärin zusammen, die mit Akten voll bepackt war. Papiere flogen durcheinander und fielen in einem heillosen Durcheinander auf den Boden. Dort hatte sie einen Brief erspäht, der an Nowhere Island adressiert gewesen war. Verwundert stellte sie fest, dass der Empfänger nicht Nicholas Rose hieß. Er hieß Nicholas Thorne.
Schnell und ohne zu zögern stellte sie einige Fragen, um etwas Licht in das Dunkel zu bringen. Die Antworten der Sekretärin schockierten sie derart, dass sie ihren Kummer vergaß und nach vorne preschte, um leichtsinnig zu beweisen, wie tapfer sie war. Und um weiteren Schaden abzuwenden.
Erst jetzt erkannte sie, wie schlecht sie sich auf ihre Mission vorbereitet hatte. Bislang hatte sie nicht den Eindruck, dass Nicholas Thorne sich auf Einschüchterungsversuche oder Erklärungen einlassen würde.
Vivian schluckte hart. Verdammt! Sie konnte es sich nicht leisten, dass ihre Zweifel die Entschlossenheit untergruben, die sie so weit gebracht hatte!
„Sieh mal, ich verstehe ja, dass du aufrichtig glaubst, eine Berechtigung dafür zu haben, mich zu hassen. Dabei siehst du aber nicht, dass das, was du tust, falsch ist. Dass die Autos zusammengestoßen sind, war ein Unfall ! Die Polizei hat damals gründliche Untersuchungen angestellt …“
„Deine Schwester hat behauptet, unser Auto sei rutschend um die Kurve gekommen“, stellte er neutral fest.
„Ja, aber sie hat euch nichts vorgeworfen “, erklärte Vivian ungeduldig. „Sie beschrieb lediglich, was sie gesehen hatte. Die Polizei sagte, die Bremsspuren bewiesen, dass keiner von uns zu schnell fuhr. Doch der Schotter, der durch den Regen auf die Straße gespült worden war, machte die Straße unsicher … Das war höhere Gewalt.“
Sie wusste, dass Schuldgefühle selbst Unschuldige auf verschlungenen Pfaden verfolgen konnten. Daher fügte sie sanft hinzu: „Keiner von uns ist verantwortlich für jene Nacht. Ich nicht und du auch nicht. Wir werden nie erfahren, ob wir es hätten verhindern können, indem wir etwas schneller reagiert oder anders gehandelt hätten. Aber menschlich zu sein, ist kein Verbrechen …“
Sie brach ab, denn er warf ihr einen sehr seltsamen Blick zu.
„Du glaubst, ich mache mich dafür verantwortlich?“
Blitzschnell schlug sie einen anderen Kurs ein. „Ich habe dir damals einen Brief geschrieben, damit du weißt, wie sehr mir der Unfall leidtat. Niemals wollte ich dich und deine Trauer verhöhnen, falls du das so verstanden hast. Ich …“ Vivian schluckte. „Ich habe deine Antwort nie jemandem gezeigt. Ich glaubte nicht, dass du diese furchtbaren Drohungen ernst meintest. Ich kann nicht fassen, dass du all diese Jahre diesen Groll genährt hast. Deinem
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