JULIA VALENTINSBAND Band 19
hätte.
Was hätte sie sonst tun sollen – wenn nicht schnellstens die Flucht ergreifen?
Trotzdem … irgendetwas brachte sie dazu, einen Blick zurückzuwerfen. Vielleicht war es sein Geruch. Diese Mischung aus Duschgel und Deo und seinem männlichen Körper war ihr so vertraut, dass sie sich am liebsten in den Arm gekniffen hätte, um endlich aus dem Traum aufzuwachen.
Vielleicht lag es daran, dass sie nicht den geringsten Zweifel hegte. Nein, Irrtum ausgeschlossen.
Oder vielleicht … vielleicht war die Sache auch viel einfacher. Sie dachte an die Narbe hinter seinem Ohr.
Chloe erinnerte sich, dass Ian ebenfalls eine solche Narbe gehabt hatte. Sie rührte daher, dass er bei einem Autounfall mit dem Kopf zuerst durch die Fensterscheibe geschleudert worden war. An seinem sechzehnten Geburtstag hatte er sich den Truck seines Dads geliehen – und den Wagen um einen Telefonmasten gewickelt, als er sich während der Fahrt nach vorn gebeugt hatte, um die Radiosender nach einem guten Song abzusuchen.
Die Narbe, auf die sie einst die Lippen gepresst und die sie geküsst hatte. Er hatte es geliebt, wenn sie das getan hatte. Und sie hatte es geliebt, wenn er die Luft scharf in die Lungen sog, weil er ihre Lippen auf seiner Haut spürte.
Warum um alles in der Welt konnte er sich nicht an sie erinnern? Es muss eine Erklärung geben, entschied sie und ging noch mal zurück. „Ian …“
Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt und schaute sie unverwandt an. „Ich bin nicht Ian.“
Dann konnte er nur Ians eineiiger Zwillingsbruder sein. Allerdings hatte Ian niemals einen Bruder gehabt. In ihrem letzten Schuljahr war sein Vater gestorben, und danach hatte er niemanden mehr gehabt. Chloe zeigte auf seine Narbe. „Die hast du dir bei einem Autounfall geholt. Weißt du nicht mehr?“
„Nein.“ Er hob die Hand und bedeckte die Narbe. „Sie müssen sich irren. Es handelt sich um eine Verwechslung.“
„Dann bist du also nicht Ian McCall?“
„Sie verwechseln mich mit jemand anders. Das ist alles.“ Er schaute sich um, betrachtete die Party, die Menschen, das angenehme Durcheinander. „Es tut mir sehr leid, aber ich muss zurück zu meinem … Date.“
Okay. Er war nicht der, für den sie ihn gehalten hatte. Und er war auch nicht zu haben. Chloe hatte begriffen. Aber es tat ihr weh, dass sie ihm so nahe gekommen war. Eigentlich war es lächerlich, und sie wollte später darüber nachdenken. Im Moment brachte sie es nicht fertig, den Blick von ihm zu lösen. Sie konnte einfach nicht glauben, dass sie sich irrte, dass dieser Mann nicht Ian war.
Während sie noch schockiert vor ihm stand, änderte sich die Musik. Die Band spielte ein schnelleres Stück, und die Partygäste strömten auf die Tanzfläche. Ein paar Leute drängten sich gegen den Mann, der vorgab, nicht Ian zu sein, und trieben ihn gegen sie, sodass ihre Körper sich berührten.
Chloe reagierte sofort. Ihre Brustknospen verhärteten sich, die Nerven in ihren Schenkeln vibrierten, es war deutlich, und um es auf den Punkt zu bringen, ihr Körper erkannte den Körper des Mannes.
Wieder stieß ihr jemand in den Rücken, und sie drängte sich noch enger an ihn. „Es tut mir leid“, wisperte sie und legte die Handfläche auf seine Brust, um sich vor ihm zu schützen. Das Parkett füllte sich mehr und mehr.
Sie wollte sich nicht nur vor ihm schützen. Sondern auch vor sich selbst.
Er glitt mit den Händen über ihre Hüften, damit sie nicht vollends aneinanderstießen. Chloe wusste nicht recht, ob sie es sich nur einbildete … aber sie hatte das Gefühl, dass er ihr mit den Handflächen sanft auf die Hüften drückte und in seinem Blick Bedauern aufflackerte.
Bedauern – und noch etwas. Aber es war so rasch vorüber, dass sie wieder nicht sicher war, ob es nicht doch zu ihrer Einbildung gehörte.
Die wahre Liebe wird in Ihr Leben treten.
Die Worte echoten noch immer in ihrem Kopf. Erst hatte Chloe über sie gelacht. Aber tief im Innern beschlich sie ein leises Unbehagen, weil sie befürchtete, dass sie vielleicht, ganz vielleicht doch an die Prophezeiung glauben wollte.
Trotzdem würde sie sich dagegen wehren, solange sie lebte. Denn selbst wenn dieser Mann tatsächlich Ian war, ihre lang vergangene Jugendliebe, dann konnte er unmöglich die Liebe ihres Lebens sein. Ausgeschlossen, nach all den Jahren.
Daran glaubte sie keine Sekunde. „Ich kann es einfach nicht fassen“, flüsterte Chloe, „du siehst genau aus wie …“
„Vermutlich
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