JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
inzwischen heftig regnete, wunderte Amber sich nicht, dass er rasch wieder ins Haus wollte. Resignierend setzte sie ihre Arbeit fort und fand sich damit ab, dass sie den restlichen Tag auf dem glitschigen Rasen herumrutschen und bis auf die Haut durchnässt werden würde. Am Ende fand der Regen immer einen Weg, durch ihre Jacke zu gelangen. Zum Lunch ging sie ins Haus, machte sich ein Sandwich und kehrte anschließend an ihre Arbeit zurück.
Nie zuvor war ihr so bewusst gewesen, wie tief der Graben zwischen Rocco und ihr geworden war. Er saß warm und trocken in dem eleganten Landhaus, verbrachte ein tolles Wochenende, ließ sich wie ein Superstar von ausgewählten Köchen verwöhnen und gierte nach seiner wohlproportionierten Gastgeberin. Und sie arbeitete hier draußen in der niedrigsten Position, die man sich vorstellen konnte, ausgestattet mit einer Liste von Anweisungen ihres Arbeitgebers, die sie mit etwas Glück innerhalb eines Monats abarbeiten konnte, aber gewiss nicht in der nächsten Woche.
Außerdem hasste Rocco sie. Doch weshalb gab es ihr das Gefühl, die ganze Welt um sie herum wäre zusammengestürzt? Sein Blick heute Morgen fiel ihr ein – tiefster Abscheu. Sie begann zu zittern. Rocco hatte sich die ersten sechs Monate nach ihrer Trennung mit einer Frau nach der anderen an seiner Seite gezeigt, bevor er seltsamerweise wie vom Erdboden verschwunden war. Und er besaß die Frechheit, ihr vorzuwerfen, sie wäre schuld daran.
Verdammt! Das war nicht der Mann, an den sie sich erinnerte. Andererseits ließ sich nicht leugnen, dass sie ein sehr rosiges, falsches Bild von Rocco Volpe gehabt hatte, bevor die Wirklichkeit sie einholte. Nach jenem Abend, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatten sie bis zum frühen Morgen in verschiedenen Clubs und Bars miteinander geredet. Ihr Verstand war in einen wahren Strudel der Gefühle geraten. Zum Frühstück hatte sie sich zu ihm nach Hause einladen lassen, und anschließend hatte er sie in sein Bett gelockt. Möglicherweise hatte sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben sogar ziemlich bereitwillig von einem Mann verführen lassen. Schließlich war sie vor Rocco nur ein einziges Mal verliebt gewesen, und das hatte sich als gewaltige Enttäuschung erwiesen.
Grimmig erinnerte sie sich an Russ, in den sie sich ein Jahr vor Rocco verliebt hatte. Eines Abends hatte sie ihn mit zum Dinner bei ihrer Schwester genommen. Ein einziger Blick von ihm zur hübschen Opal hatte genügt, und Amber hatte kaum noch existiert. Sie war sich wie das sogenannte dritte Rad am Wagen vorgekommen, während der Mann, den sie zu lieben glaubte, wie wild mit ihrer Schwester flirtete. Damit war er erheblich in ihrer Achtung gesunken. Eigentlich hatte sie vorgehabt, Russ’ ständigem Drängen in dieser Nacht nachzugeben und ihre erste Erfahrung als Geliebte zu machen. Doch nachdem er endlich aufgehört hatte, davon zu schwärmen, wie wunderhübsch, absolut fabelhaft und faszinierend Opal wäre, war ihr klar geworden, dass sie auf solch einen Mann verzichten konnte. Als perfekte blonde Schönheit verdrehte ihre Schwester immer wieder den Männern den Kopf. Wie Amber schmerzlich am eigenen Leib erfahren musste, kamen viele nicht damit zurecht.
Rocco hatte nie die Gelegenheit gehabt, sich von Opal verwirren zu lassen.
An ihrem ersten gemeinsamen Tag hatte Rocco sie gegen Mittag geweckt und erklärt, dass er sein Leben lang nach einer Frau wie sie gesucht hätte. Nun, sein Leben lang seit der vorletzten Nacht, konnte Amber rückblickend nur vermuten. Rocco hatte hinter seiner verschlossenen Badezimmertür gestanden und davon geschwärmt, wie romantisch es wäre, dass sie innerhalb von wenigen Stunden mit ihm ins Bett gesunken war. Er hatte ihr versichert, dass er nichts von One-Night-Stands hielte und dass er sie nie und nimmer als solchen betrachten würde. Am Ende hatte er sich sogar eindringlich dafür entschuldigt, dass er seine durchaus geschickten Hände nicht von ihr hatte lassen können.
Und sie hatte auf der anderen Seite der Tür verzweifelt ihre Schluchzer und Selbstvorwürfe unterdrückt und sich mit hektischen Bewegungen wieder angezogen.
„Ich lasse dich nicht gehen“, hatte Rocco erklärt, nachdem er wiederaufgetaucht war.
Drei leidenschaftliche Monate voller Lust und Erregung hatten darauf gefolgt, unterbrochen von gelegentlichen heftigen Auseinandersetzungen, die Amber bis ins Mark erschütterten. Eigentlich wollte sie keine endlosen Überstunden mehr machen,
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