Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
aller Zeiten hatte also das größte Schlagertalent aller Zeiten unter seine mega-erfolgreiche Fittiche genommen. Jetzt war Julius klar, warum Dopen die Polizeiarbeit torpediert hatte. Er wollte Publicity für sein Schlagersternchen, er wollte Sandra Silva in allen Zeitungen und Talkshows. Er wollte sie als Berühmtheit, die das Grauen live erlebt hat. Vielleicht würde er ihr sogar einen kleinen psychischen Schock andichten.
Julius konnte das nicht gutheißen, aber er musste eins zugeben: Dopen machte seinen Job gut.
Um kurz nach zehn stahl sich Julius abends aus der Küche, in der die Arbeit nun stetig weniger wurde. Sein Sous-Chef würde übernehmen. Julius ließ seinen Herd ungern allein, aber er hatte einen Termin im Kalender stehen, den er sich nicht entgehen lassen wollte. Ein wenig Entspannung nach all dem Trubel.
Ein wenig den Mond anheulen.
Sein Weg führte über die Landskroner Straße, und er führte zu einem wohl bekannten Ort, zu einem wohl bekannten Freund. August Herold vom Weingut Porzermühle lud zur Mondscheinprobe – und alle kamen. Das merkte Julius schon beim Einparken. Der neu gebaute Parkplatz war voll, und er musste mit dem Feldweg vorlieb nehmen. Als Julius ausstieg, konnte er es schon riechen. Wein und Kräuter lagen in der Luft. Die unwiderstehliche Mischung wehte vom Wintergarten des Weingutes herüber. Julius stiefelte durch den Schnee und fühlte sich wohlig.
Er versank in einer Pfütze.
Wie sie dahingekommen war und wie er sie hatte übersehen können, da ihre Ausmaße doch an das Rote Meer erinnerten, war Julius völlig unklar. Klar war nur, dass er nun bis zu den Knien nass war. Durchtränkt von eiskaltem, schmutzigem Wasser. Sollte er zurückfahren? Das dauerte zu lange. Sollte er einfach so reingehen? Konnte peinlich werden.
Und es wurde peinlich.
Eine junge blonde Frau in einem eleganten, dunkelgrünen Abendkleid kam aus dem Wintergarten, ein Glas Wein in der Hand, es immer wieder zum Mund führend. Sie zog ihre wärmende Stola enger um die Schultern und ging langsam zu dem kleinen Bächlein, das neben dem Weg entlang sprudelte, streckte die Arme aus und holte hörbar Luft, dann steckte sie ihre kleine Stupsnase wieder ins Glas und sog den Duft so kräftig ein, dass Julius schon annahm, sie würde den Wein durch die Nüstern zu sich nehmen.
»Aaaahhh!«, sagte die Frau, die nun einen Schluck nahm. Sie schien es wirklich zu genießen. Im Umdrehen sah sie Julius. »Oh, ich habe Sie gar nicht gesehen. Wie peinlich.«
Es war Sandra Böckser.
Cleopatra.
Julius konnte es nicht glauben.
Er versuchte, die Situation zu retten. »Würde es Ihnen besser gehen, wenn es mir auch peinlich wäre?«
»Ich verstehe nicht.«
Er deutete auf die Hose.
»Oh.« Sie kam ein paar Schritte näher. »Aber Sie sind nicht der Erste.«
Aus dem Wintergarten kam nun eine zweite Person. »Ich dachte doch, dass ich da wen gehört hätte! Julius, wir haben uns ja Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Komm rein, Junge!« Zu Sandra Böckser gewandt sagte er: »Ich muss ihn dir jetzt leider entführen.«
Der Wintergarten war erleuchtet von Kerzen, deren Flammen sich stetig bewegten und der Szenerie ein warmes, loderndes Licht gaben. Die gläserne Decke des achteckigen Raumes reflektierte die Lichtpunkte, so dass es aussah, als sei der Himmel mit Kometen übersät. Die Würdenträger knubbelten sich an den Bistrotischen. Jede Gruppe versuchte lauter als die neben ihr stehende zu lachen, jede wollte die mit der besten Laune sein.
Es war wahnsinnig laut.
Herold drückte Julius ein Glas seines Rieslingsektes zur Begrüßung in die Hand.
»Prost! Die Sandra kanntest du doch schon, oder? Bildhübsch, und eine wirklich kluge Frau. Jetzt darf ich dich aber erst mal ein paar Leuten vorstellen, mein Lieber!«
»Ich würde eigentlich zuerst …« gern eine andere Hose anziehen, wollte Julius sagen. Aber nach dem ersten Halbsatz stand er bereits vor dem Chef des Nürburgrings, gefolgt von einem progressiven Landwirt, der in Heimbach Moorschnucken züchtete, eine alte deutsche Landschafrasse, wie Julius umgehend erfuhr. Es folgten weitere Persönlichkeiten von nah und fern, unbekannte wie bekannte, darunter Herolds Frau Christine, die wie immer alles im Blick hatte, der Landrat, befreundete Restaurateure aus dem Tal und natürlich Winzer.
Julius kam der große Erfolg des Abends zupass. Da alle dicht beieinander stehen mussten, bemerkte niemand seine dreckige Hose. Er hätte genauso gut nackt sein können. Auch
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