Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
Brettschneider.»
«Aus Spaß wurde Ernst, und Ernst ist heut drei Jahre alt.»
Auweia. Doch nach einem weiteren gestrengen Blick von Emmi gibt er endlich klein bei und bringt wie geheißen die Sense zurück in den Geräteschuppen. Dabei torkelt er ein wenig.
«Siehst du, Mathias, da kannst du mal sehen, was passiert. Alter schützt vor Torheit nicht.»
«Ja, das stimmt.»
«Was meinen Sie, Frau Donath?»
Wie nicht anders zu erwarten, bleibt Frau Donath die Antwort schuldig. Herr Brettschneider stellt sich mit glasigem Blick vor Oma Emmi und hält die Hand auf wie ein Bettler.
«Gib mal Geld.»
«Ich wüsste nicht, seit wann wir uns duzen, Herr Brettschneider!»
«Ja. Gib mal bitte Geld.»
Es hat keinen Zweck mehr mit ihm. Oma Emmi kramt in ihrer Schürze und drückt Herrn Brettschneider einen Zehnmarkschein in die Hand. Herr Brettschneider setzt ein fieses Grinsen auf.
«Von wegen nach Hause, ich geh jetzt noch in die Scharfe Ecke.»
«Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Alles Gute und bis in vierzehn Tagen.»
«Ja, Frau Beuger. Nichts für ungut.»
Obwohl er so dun ist, merkt er, dass er zu weit gegangen ist. Als er sich per Handschlag verabschieden will, schaut Emmi demonstrativ weg und versteckt ihre Hände unter der Schürze. Jetzt tut er mir doch ein bisschen leid. Vielleicht hat ihn der Tod seiner Frau mehr mitgenommen, als man im ersten Moment gedacht hat. Aber jetzt weiß ich auch, warum Oma Emmi und Herr Brettschneider nicht zusammenpassen.
Am nächsten Tag wollen wir wieder zur Tonkuhle. Wilfried junior, der ein paarmal dabei war, bleibt daheim, wahrscheinlich will er mit uns nichts zu tun haben, weil wir jünger sind als er. Ich muss dann immer daran denken, dass er schon ein Teenager ist. Mir gefällt das Wort, aber ich weiß nicht so genau, was dahintersteckt. Er hat zu seinem vierzehnten Geburtstag einen Plattenspieler geschenkt bekommen, und hört jetzt seine Singleplatten rauf und runter. «School’s out», «Popcorn», «Mamy Blue», «Fiesta Mexicana», und «Fireball» von Deep Purple, meiner absoluten Lieblingsband. Deep Purple sind mit «Fireball» bei «Disco 72» aufgetreten, es war natürlich der Höhepunkt der Sendung, ich habe wochenlang darauf hingefiebert und hätte eigentlich nicht gedacht, dass Deep Purple bei so einer Schrottshow jemals auftreten würden. Es war mir total peinlich für Deep Purple, vor ihnen war Bata Illic und danach Danyel Gerard mit «Butterfly». Was Deep Purple wohl von Deutschland halten? Aber die haben gute Miene zum bösen Spiel gemacht, sogar, als die Sketche von Ilja Richter und seiner Schwester kamen. Gerade als wir loswollten, hat Wilfried uns auf sein Zimmer eingeladen, weil er mit seinem Plattenspieler angeben wollte. Obwohl wir natürlich viel lieber gleich zur Tonkuhle gefahren wären, mussten wir uns brav seine sämtlichen Singles anhören, da konnte auch Manfred nichts ausrichten. «Mamy Blue» finde ich auch gut, obwohl ich das nicht zugeben würde, aber bei «Fiesta Mexicana» hört’s nun wirklich auf. Wir mussten mucksmäuschenstill sein. Als ich Wilfried gebeten habe, «Fireball» ein zweites Mal aufzulegen, hat er uns rausgeschmissen. Im Treppenhaus habe ich gehört, dass er schon wieder «Fiesta Mexicana» am Wickel hatte, die Platte hat Kratzer und Sprünge ohne Ende, er muss sie also schon sehr oft abgespielt haben.
An einem anderen Tag haben wir Starke getrieben, das sind männliche Rinder vor der Geschlechtsreife, von einer Weide auf eine andere, und ich musste mithelfen, obwohl ich so was noch nie gemacht habe. Einmal sind zwei Starke volles Brett auf mich zugaloppiert, da habe ich es mit der Angst zu tun bekommen und bin ausgewichen, sie sind dann ausgebüxt, und Herr Holzapfel hatte alle Mühe, die Viecher wieder einzufangen. Er hat mich angeschnauzt, von wegen verweichlichte Städter und dass man mit mir nix als Scherereien hat, obwohl ich die ganze Zeit überhaupt nicht mehr dumm aufgefallen bin, bis auf eben den allerersten Tag mit den Motorrädern. Ich glaube, Oma Emmi ist enttäuscht, dass ich nicht mehr Zeit für sie habe, aber sie lässt es sich nichts anmerken, im Gegenteil, sie bäckt für Manfred und mich jeden Tag eine Platte Pflaumenkuchen, die nehmen wir dann zur Tonkuhle mit. Für sich und Frau Donath schneidet sie immer nur zwei schmale Stückchen ab.
Jetzt ist es wirklich perfekt, besser geht’s nicht: den ganzen Tag am Strand liegen und ab und an ins kühle Nass springen, Kuchen essen und lesen.
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