Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
Vom Netzwerk:
Vorstellung, dass so eine Rakete von einem Mann abgefeuert
wird, der diese Summe in einem Jahr nicht verdient, und einen Mann treffen
soll, der so viel in seinem ganzen Leben nicht verdient, ist so ungeheuerlich,
dass man fast denkt, der Krieg müsse doch zu gewinnen sein. Und das dröhnende
Getöse eines erbitterten Feuergefechts konnte so beruhigend wirken, dass man
hinterher am liebsten umherlaufen und die Leute in die Arme schließen wollte.
Das Getöse war es, das dich am Leben erhielt, und aus ihm erwuchs eine so
tiefgreifende Wertschätzung der Feuerkraft, dass es schon ans Perverse
grenzte.
    »Oh, ja,
jeder hat seine Lieblingswaffe«, sagte mir Jones. »Da gibt es Mark-Typen und
.50er-Jungs. Walker ist ein Mark-Typ. Der Mark ist ein automatischer
Granatwerfer, der 40-mm-Granaten verschießt, die beim Aufprall explodieren. Ich
bin ein .50er-Mann. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber es heißt, das Geschoss
braucht dir bloß auf einen halben Meter nahe zu kommen, um dir das Fleisch zu
versengen. Echt übel. Braucht dich gar nicht zu treffen und kann dich trotzdem
aufreißen. Die Waffe ist einfach sexy. Das ultimative Maschinengewehr. Damit
kannst du durch Wände schießen. Macht Spaß, damit bei 'ner Übung zu ballern,
aber doppelt so viel Spaß in 'nem echten Feuergefecht.«
    In
Restrepo - wo man sogar Schnaps kriegte, wenn man wollte - war nur eins absolut
unmöglich: Sex mit einer Frau zu erleben. Und zu Hause war auch nur eins
unmöglich: einen bewaffneten Kampf zu erleben. Ob es den Männern bewusst war
oder nicht, sie waren einen brutalen Handel eingegangen, bei dem sie
riskierten, dass das eine für das andere einsprang. Anlass zum Scherzen gab es
überreichlich, aber selbst wenn keine Witze gemacht wurden, hörte sich so
mancher Satz doch reichlich komisch an. »Es braucht nicht viel Öl, aber wenn du
ihm zu viel gibst, wird es umso mehr rocken«, hörte ich O'Byrne über das .50
cal zu Vaughn sagen. »Wenn das Scheißding im Gefecht mal lahm wird, gieß
einfach Öl über den Bolzen und es geht gleich wieder ab.«
    Wenn du
neunzehn bist und seit einem Jahr keinen Sex mehr gehabt hast, kann ein Satz
wie dieser - in aller Selbstverständlichkeit auf eine ernste Angelegenheit
bezogen - in deiner Psyche auf eine Art umhergeistern, die du selbst nicht verstehst.
(Auf der anderen Seite des Tals erhob sich ein Berg, dem die Männer den Namen
Nipple Rock gegeben hatten, und dazu kann ich nur sagen, dass man eine
gottverdammt lange Zeit im Tal verbracht haben musste, um an dem Ding eine
Ähnlichkeit mit dem Nippel einer Frau zu erkennen.) Oben in Restrepo knisterte
so viel sexuelle Energie, dass man sich ebenso gut in einem Nachtklub in Miami
hätte befinden können, außer dass es hier nur ein Ventil gab: den bewaffneten
Kampf. Und mit diesen Gedanken an den Kampf verbrachten die Männer ihre Zeit.
Einmal brach ein Feuergefecht los, und ich sah, wie Hoyt und Alcantara in den
Ostbunker rannten, um sich das .50 cal zu sichern. Hoyt war vorne, aber
Alcantara stieß ihn aus dem Weg, kam als Erster an die Waffe und ballerte los.
Später wechselten sie einander ab, bis das Gefecht abflaute, und anschließend
machten sie es sich mit Zigaretten im Bunker bequem. Sie hatten so viel
Munition verschossen, dass der Lauf qualmte und sie Öl daraufgießen mussten, um
ihn abzukühlen. Plötzlich kam erneut ein Feuerstoß. »Ja!«, jubelte
Hoyt, als er zurück ans Gewehr eilte. »Ich wusste doch, dass
die Scheiße noch nicht vorbei ist ...«
    Die
meisten Kampfhandlungen spielten sich über eine Distanz von vier- oder
fünfhundert Metern ab, und daher musste nie jemand die Wirkung der Feuerkraft
auf den menschlichen Körper direkt mit ansehen oder gar Verwundete versorgen.
Es gab natürlich auch Ausnahmen. Eines Tages meldete Prophet, feindliche
Kämpfer hätten besprochen, nicht auf die Amerikaner zu schießen, bis eine
Patrouille auf die Ostseite des Tals gewechselt sei. Afghanische Soldaten im OP
3 sichteten bald darauf bewaffnete Männer im Flussbett und schossen auf sie.
    Die Männer
flohen auf die Flanke des Abas Ghar, und der 3 rd Platoon schickte
eine Patrouille aus dem KOP, die sie jagen sollte. Die Amerikaner bekamen
Feindberührung, kaum dass sie auf der anderen Flussseite waren, und mussten
feststellen, dass sie hinter einer Felswand in die Enge getrieben worden waren.
Innerhalb von Sekunden eröffnete jede amerikanische Stellung im Tal das Feuer
auf die Kerle, die unsere Patrouille beschossen. Der KOP ließ

Weitere Kostenlose Bücher