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Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
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Mörsergranaten
regnen, und OP 3 schloss sich mit einem .50 cal und einem Barrett-Scharfschützengewehr
an, und die Trucks schossen von oberhalb Babiyal, und Restrepo schwenkte seine
240er herum und belegte die andere Seite des Tals fast eine Stunde lang mit
MG-Feuer.
    Es war ein
heißer Tag, und in letzter Zeit war es eher selten zum Kampf gekommen. Als die
Männer an die Waffen sprangen, trugen die meisten von ihnen nur Flipflops und
Shorts. Sie scherzten und lachten und riefen zwischen den Salven nach
Zigaretten. Ab und zu zischte mal ein Geschoss an uns vorbei, aber insgesamt
war es wie ein Scheibenschießen auf einen weit offenen Berghang, auf dem sich
der Feind nirgendwo verstecken konnte. Heiße Patronenhülsen sammelten sich auf
dem Boden der Kampfstellungen, und von Sekunde zu Sekunde ergossen sich mehr
Hülsen aus den Waffen. Ich sah, wie eine davon in Pembles offenen Schuh fiel,
er ihn auszog, sie rausschüttelte und dann den Schuh wieder über den Fuß
stülpte, ohne auch nur einmal das Schießen einzustellen. Der Lieutenant stand
ohne Hemd auf der Munitionshütte und gab Koordinaten in den KOP durch, einige
der Afghanen feuerten aus der Hüfte, obwohl sie so keine Chance hatten, etwas
zu treffen, und Jackson war oben auf der Wachposition damit beschäftigt, eine
der SAWs zu leeren. Restrepo allein feuerte wohl an die tausend Schuss in der
Minute, und selbst in hellem Tageslicht blitzte der Abas Ghar von Einschlägen.
Schließlich tauchte ein Hog auf - Hog war das Funkrufzeichen für die
A-10-Kampfflugzeuge - und warf zur Sicherheit noch ein paar Bomben auf den
Berg.
    Irgendwann
kam über Funk die Nachricht, dass die Scouts einen Mann beobachteten, der nur
noch ein Bein hatte und auf dem Hang umherkroch. Sie behielten ihn im Auge, bis
er aufhörte, sich zu bewegen, und meldeten dann, dass er gestorben war. Alle
in Restrepo applaudierten. In der Nacht konnte ich nicht schlafen, schlich aus
meiner Koje und setzte mich aufs Dach der Munitionshütte. Es war ein netter
Platz, um das Wetterleuchten am Pech zu beobachten oder sich an die Sandsäcke
zurückzulehnen und hinauf zu den Sternen zu blicken. Ich musste immerzu an den
Applaus denken. In mancher Hinsicht war er bestürzender als all das Töten, das
hier an der Tagesordnung war. Abgesehen von aller Politik ging es um die
Tatsache, dass ein Mann allein und auf der Suche nach seinem Bein auf einem
Berghang gestorben war. Er muss vor Durst halb wahnsinnig gewesen sein und
dazu völlig kopflos wegen des Kugelhagels, der auf der Suche nach ihm hin und
her strich und den Boden durchsiebte. Das eine oder andere Mal war wohl jeder
Mann des Platoon irgendwo festgenagelt gewesen und hatte geglaubt, sterben zu
müssen - Geschosse, die rings herum einschlugen, Körper, die sich für den
Einschlag wappneten -, und dabei waren sie nur von einem oder zwei Gewehren
bedroht. Man stelle sich vor, wie es ist, wenn man die Feuerkraft einer ganzen
Company auf sich gerichtet sieht. Ich verstand die Notwendigkeit, aber die
Freude konnte ich nicht nachvollziehen. Es schien so, als müsste ich die Männer
auf dieser Bergkuppe einer radikalen Neueinschätzung unterziehen oder akzeptieren,
mit welcher Nachhaltigkeit ein Ort wie dieser sie veränderte.
    »Man
stellt sich vor, dass dieser Typ den eigenen Freund ermordet haben könnte«,
erläuterte mir Steiner später. »Der Beifall kommt von der Gewissheit, dass es
sich um jemanden handelt, gegen den wir nie wieder kämpfen müssen. Wenn ein
anderer Mensch versucht, dich umzubringen, ist es weniger schwierig, gegen ihn
zu kämpfen, als man denkt. Die Leute meinen, dass wir applaudieren, weil wir
jemanden erschossen haben, aber wir haben applaudiert, weil wir jemanden daran
gehindert haben, uns zu töten. Diese Person wird nie wieder auf uns schießen.
Und dann geht die Fiesta los.«
    Der
bewaffnete Kampf war ein Spiel, auf das sich der 2 nd Platoon auf
Geheiß der Vereinigten Staaten sehr gut verstand, und daher hatten die
Vereinigten Staaten den Platoon auf einer Bergkuppe ausgesetzt, ohne Frauen,
ohne warmes Essen, ohne fließendWasser, ohne Kommunikation mit der Außenwelt
oder auch nur die geringste Form von Unterhaltung. Und das für mehr als ein
Jahr. Nicht dass die Männer sich beklagt hätten, aber eine solche Situation hat
Konsequenzen. Die Gesellschaft kann ihren jungen Männern so gut wie jeden Job
anbieten, und sie werden herausfinden, wie er zu erledigen ist. Sie leiden darunter
und sie sterben dafür und sie sehen ihre

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