Junger, Sebastian
bekommen und ganz sicher
nicht in der Lage sein, das Ergebnis zu beeinflussen. Gute Soldaten starben
genau so leicht wie lausige, und so ungefähr definieren Soldaten unfaire
Taktiken im Krieg. Nach der Hälfte der Einsatzzeit übernahm Battle Company die
Trucks von Destined und schickte vom KOP aus motorisierte Patrouillen zur
Unterstützung der eigenen Männer auf den Weg. Eine einleuchtende Maßnahme, aber
sie sperrte Männer, die Fußpatrouillen gewöhnt waren, in enge Stahlkäfige, in
denen sie bei Feuergefechten nichts anderes tun konnten, als den Turmschützen
anzuschreien und zu beten. Die Trucks reduzierten den Krieg auf eine Art
erbittertes Würfelspiel, und aus diesem Spiel zu lernen oder es zu beherrschen,
war unmöglich. Man konnte nur hoffen, dass man nicht vom Glück verlassen
wurde, bis es Zeit war, nach Hause zurückzukehren.
Der
Bursche, der uns in die Luft jagt, befindet sich dreißig Meter entfernt hinter
einem Felsen. Er berührt mit zwei Drähten eine Doppel-A-Batterie und schickt
einen elektrischen Stromstoß an einen mit Kunstdünger und Diesel gefüllten
Dampfkochtopf, der in der Nacht zuvor in der Straße vergraben worden ist. Er
verpasst den richtigen Zündzeitpunkt um ungefähr drei Meter, und die Bombe
explodiert eher unter dem Motorblock als unter uns, was uns davor bewahrt,
verletzt oder gar getötet zu werden. Die Explosion gleicht einer plötzlichen
Flammenwand, die jäh von Düsternis abgelöst wird. Die Düsternis ist der Erde
und dem Schmutz zu verdanken, die auf der Windschutzscheibe landen und die
Sonne ausblenden. Der Schütze lässt sich aus seinem Turm fallen und setzt sich
benommen neben mich. Jemand kommt über Funk und sagt: WIR SIND GERADE VON
EINEM SPRENGKÖRPER GETROFFEN WORDEN, OVER!«, dann folgt die Stimme eines
anderen Mannes, der schreit, der Konvoi solle weiterfahren.
Jetzt ist
es grau und seltsam still im Humvee, und ganz kurz muss ich daran denken, wie
ich als Junge bei einem Schneesturm im Haus war. Der Strom fiel aus und die
Fenster schneiten zu, und das hatte eine ähnliche gedämpfte Düsternis zur
Folge. Die Erinnerung ist schnell vorbei. »ANS GEWEHR!«, schreit Thyng dem
Schützen zu. »ANS GEWEHR UND FEUER IN DIE VERDAMMTE SCHLUCHT!«
Der
Schütze ist entweder zu ängstlich oder zu verwirrt, um zu agieren, aber ein
Humvee hinter uns eröffnet das Feuer mit einem Maschinengranatwerfer - blepp-katschunk,
blepp-katschunk -, und Thyng ruft: »VERFLUCHTE SCHEISSE, WER IST
DENN DAS?« Ich sage ihm, dass das einer von uns ist, keiner von denen, und
unser Schütze steht endlich im Turm und erwidert das Feuer nach Osten und dann
nach Westen. Große heiße .50cal-Geschosshülsen fallen scheppernd in den Humvee. Shot, eight o'clock, informiert uns eine Computerstimme.
Das Ortungssystem erkennt Gewehrfeuer aus anderen Fahrzeugen in unserem Konvoi
und meldet es, als käme es vom Feind.
Es wird
heftig gefeuert, und ich bin nicht gerade erpicht darauf, durch den Kugelhagel
zu laufen, aber die Kabine füllt sich mit giftigem grauen Rauch, und ich weiß,
dass wir sowieso irgendwann aussteigen müssen. Ich warte darauf, dass mich so
etwas wie Angst überkommt, aber das geschieht nicht, stattdessen agiere ich
anscheinend mit einer Art Nulllinien-Funktionalität, die meinen Pulsschlag
kaum beschleunigt. Ich könnte schwierige Mathematikaufgaben im Kopf lösen. Mir
kommt der Gedanke, dass ich eventuell verwundet sein könnte - oft merkt man es
nicht sofort -, und ich taste meine beiden Beine ab bis hinunter zu den Füßen.
Aber es ist noch alles da. Ich ordne meine Ausrüstung, finde mit der Hand den
Türhebel und warte. Ein kleines schwarzes Skelett hängt am Rückspiegel, und ich
sehe, dass es infolge der Explosion immer noch schaukelt. Ich sitze einfach da
und starre es an. Schließlich gibtThyng den Befehl, und wir werfen uns alle in
die frische kühle Morgenluft. Dann rennen wir los.
Krieg kann
vieles sein, und es ist sinnlos vorzugeben, dass er nicht auch aufregend ist.
Er ist sogar wahnsinnig aufregend. Die Maschinerie des Krieges und der Sound,
den sie hervorbringt, und die Energie, mit der sie eingesetzt wird, und die
Konsequenzen, die sich aus fast allen ihrer Aspekte ergeben, sind die
aufregendsten Dinge, die erleben wird, wer je in einen Krieg einbezogen war.
Soldaten besprechen diese Tatsache miteinander und irgendwann mit ihren
Geistlichen und ihren Seelendoktoren und vielleicht sogar mit ihren
Ehepartnern, aber die Öffentlichkeit wird nie davon
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