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Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
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ganze schlimme Geschichte. Ich wusste bereits,
dass er in einer Kleinstadt aufgewachsen war, und ich fragte ihn, ob er als
Junge je auf die Jagd gegangen war. Er sagte, dass er einmal einen Salamander
getötet und sich danach so schuldig gefühlt hatte, dass er nie wieder etwas
getötet hatte.
    »Aber ich
hab immer Waffen gehabt ... mein Dad hatte immer Waffen«, sagte O'Byrne. »Er
hat mich dazu erzogen - was verdammt irre ist, aber dazu kommen wir noch -, er
hat mich dazu erzogen, Waffen zu respektieren und niemals auf einen Menschen zu
zielen. Aber da haben wir beide verflucht noch mal versagt, kläglich versagt.
Ich bin ein übler Bursche in der Highschool gewesen, ein beschissener Punk -
ich wusste einfach nicht, wie ich ein netter
Junge sein könnte. Und mein Dad, der hat getrunken und getrunken und getrunken.
Eines Abends, da hatte mein Kumpel Geburtstag, und deswegen ist diese Kleine
vorbeigekommen, und wir hatten 'ne ganze Gallone Wodka. Wodka tut mir nicht
gut, macht mich scheiß gewalttätig. Ich hab wahrscheinlich 'ne halbe Gallone
getrunken. Ich war verflucht hinüber, total abgefüllt. Ich komm nach Hause, und
als Erstes seh ich meinen Vater. Ich komm zur Tür herein und er schreit mich
an. Er holt aus, ich hol aus. Wir fangen zu prügeln an. Die Prügelei hört nicht
auf - will sagen, wir haben uns ziemlich lange geschlagen. Meine Freunde haben
versucht, mich zurückzuhalten. Einer hat mich mit einem Kantholz geschlagen, um
mich zu beruhigen.«
    Irgendwann
war die Rauferei zu Ende, und O'Byrne ging in sein Zimmer. Nach einer Weile
hörte er seinen Vater wieder rumbrüllen. Also ging er nach unten, tigerte vor
der Schlafzimmertür seines Vaters auf und ab und schrie ihn dabei an.
Plötzlich knickte seine Hüfte weg, und als Nächstes stellte er fest, dass er im
Flur auf dem Boden lag und sein Bein den Dienst versagte. Er hatte keinen
Schuss gehört und keinen Schmerz gespürt, und er dachte, dass er sich womöglich
die Hüfte ausgerenkt hatte. Dann kam sein Vater aus dem Schlafzimmer und zielte
mit einem Gewehr auf seinen Kopf. Es war O'Byrnes Lieblingswaffe, eine
halbautomatische Ruger mit Klappschaft, und O'Byrne sagte: »Du willst also auf
mich schießen, obwohl ich schon auf dem Boden liege?« Und sein Vater sagte:
»Ich hab schon auf dich geschossen.«
    »Ich war
zu betrunken, um zu schnallen, was ablief. Also geh ich nach oben, zwei Treppen
rauf, und spiel dann Videospiele. Schließlich leg ich mich hin, weil ich Blut
verliere. Ich fang an zu weinen, weil mir langsam klar wird, was los ist, und
ich hab jetzt mächtig Probleme. Ich hab nämlich zwei Scheißkugeln in mir. Das
ist gar nicht gut. Wahrhaftig nicht.«
    Schließlich
kam ein Krankenwagen, der O'Byrne in ein Hospital in Scranton brachte. Er hatte
ein Geschoss in der Hüfte und ein weiteres im Kreuz, weniger als drei
Zentimeter von seiner Wirbelsäule entfernt. Nachdem die Ärzte operiert hatten,
kam ein Cop und verlangte eine Aussage. O'Byrne überlegte: Was auch immer die
Probleme seines Vaters sein mochten, er war immer seiner Arbeit nachgegangen
und hatte für seine Familie gesorgt. Wenn er jetzt ins Gefängnis käme, wäre
niemand für die Familie da. Das würde eine schlimme Situation nur noch
schlimmer machen. >Es war meine Schuld<, sagte O'Byrne dem Cop. >Er
hat in Notwehr geschossen.< »Mein Vater hätte das Gefängnis nicht überlebt -
er ist kein gewalttätiger Mensch. Die Situation war
gewalttätig, er nicht. Ich bin also drei Tage im Krankenhaus geblieben, und
dann haben sie mich eingesperrt - keine Reha, gar nichts. Ich wurde wegen
tätlichen Angriffs angeklagt. Ich war ein Weichei da drinnen, Mann, ich hab
versucht, mich mit niemandem anzulegen. Das war das Beste - aber das
Schlimmste -, was mir je passiert ist. Mein Vater und ich hatten uns da
reinmanövriert, dass einer für den anderen einfach das größte Übel war. Ist
eine brutale Geschichte, aber auch eine gute. Wie konnte ich wagen, meinen
Vater zu schlagen - selbst wenn er mich geschlagen hatte? Würde er mir heute
eins auf die Nase geben, würd ich ihn nur ansehen und sagen: >Ist ja gut,
ich geh runter und geb dir Zeit, damit du dich abregen kannst.< Ich werde
den Mann niemals wieder schlagen. Das war meine
Schuld - verstehst du? Ich hatte nicht den notwendigen Respekt. Das ist eine
Story des Triumphs. Eine Story darüber, wie man sich durch die Scheiße quält
und was Gutes daraus macht. Ich weiß jetzt, dass Kugeln mich nicht aufhalten
können. Diese Scheißdinger

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