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Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
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einer
beiläufigen Bemerkung verheerende Kraft besaß, weil sie so treffend war. Er
nannte einen Officer »Chinless the Fearless«, und er hätte sich wahrscheinlich
nichts weiter draus gemacht, aber der kinnlose Mann stellte sich tatsächlich
als furchtlos heraus. Ihm gefiel es, jemanden mit einem geringschätzigen Blick
zu bedenken und zu sagen: »Total fertig. Irre. Einfach völlig fertig.« Ich
mochte ihn wahnsinnig gern. Ich glaube, er hat fast das ganze Jahr gebraucht,
um mehr als zwei Wörter zu mir zu sagen.
    »Mir
persönlich ist es scheißegal, verstehst du?«, fuhr er fort, als er mir von
seinem Leben vor der Army erzählte. »Ich sag's jedem, der's hören will: Ich hab
'ne Masse Dope geraucht, ich hab 'ne Masse Drogen vertickt, ist mir egal, wer
es weiß, so war das eben. Mich haben sie nie geschnappt. Ich hatte eigentlich
nur die Wahl, tot auf der Straße zu enden oder im Knast. Keins von beidem
wollte ich, also bin ich zur Armee. Und jetzt heißt es, entweder tot oder nach
Hause, aber ich schätze, die Sache mit dem Gefängnis ist von der scheiß Liste
gestrichen. Meine Mom hat mich eigentlich besser erzogen, ganz einfach.
    Sie hat
mich nicht dazu erzogen, Drogen zu verkaufen. Sie war der allerechteste Mensch
in meinem Leben.«
    Wenn das
Witzereißen nicht reichte, um durch die Woche zu kommen, konnte man sich immer
noch über die Heldentaten der Männer unterhalten, die im Urlaub gewesen waren.
Gegen Mitte der Einsatzzeit begann ein ständiges Kommen und Gehen der Männer
mit Heimaturlaub, und die Dinge, die sie erlebt hatten, waren ein Bissen
Seelennahrung für die anderen. Der Urlaub dauert achtzehn Tage und beginnt,
wenn die Füße amerikanischen Boden betreten. Er scheint hauptsächlich darin zu
bestehen, sich mit Freunden zu betrinken und zu versuchen, Frauen zu treffen,
zu beeindrucken und zu verführen, denen es nichts ausmacht, dass sich die Dauer
der Verbindung höchstens in Tagen messen lassen wird, wenn nicht sogar nur in
Stunden. Als Pemble im Urlaub nach Hause flog, musste er in Texas umsteigen, und
als er in seiner Maschine nach Oregon durch die erste Klasse ging, sprang ein
Mann auf, griff Penibles Boardingkarte und bot ihm an, die Plätze zu tauschen.
Pembles Uniform war zerrissen und schmutzig, und zum ersten Mal in seinem Leben
saß er in der ersten Klasse, stank nach Krieg und trank Champagner. Er nahm
einen Pendlerzug vom Flughafen nach Beaverton, spazierte in eine
Hooters-Filiale und bestellte ein Bier. Die Kellnerin sah ihn in seiner
Uniform, setzte sich zu ihm und stellte Fragen. Irgendwann wollte sie wissen,
was er getan hatte, um sich seine Medaille zu verdienen.
    »Musste
nur auf mich schießen lassen«, antwortete Pemble.
    Ihre
nächste Frage lautete, ob er eine Freundin hatte oder nicht.
    Pembles
Eltern wussten nicht, dass er auf Heimaturlaub kam - er wollte sie überraschen
-, und daher marschierte er vom Bahnhof aus mehrere Meilen mit seinem
Sturmgepäck über der Schulter. Von den Leuten, die an ihm vorbeifuhren, wurde
er neugierig angestarrt. Seine Eltern waren bei der Arbeit, und das Haus war
abgeschlossen. Also holte er eine Leiter aus der Garage und kletterte durch ein
Fenster im ersten Stock. Nach einer Weile wurde es ihm zu langweilig, allein im
Haus zu sitzen, und er klopfte an der Tür des Nachbarhauses, in dem ein
Vietnamveteran wohnte. Der Veteran verstand auf Anhieb, holte seinen Whiskey
aus dem Schrank, und sie verbrachten den Rest des Nachmittags mit Trinken. Als
Pembles Eltern schließlich nach Hause kamen, lag er schlafend auf der Couch,
dreckig und erschöpft und betrunken.
    Jeder reagiert
anders auf zu Hause. Als Hijar zum ersten Mal wieder vor einer warmen Mahlzeit
saß, brach er in Tränen aus. Cortez wusste nicht, ob er sich wie ein Mann oder
wie ein Junge verhalten sollte, wenn er seine Mutter auf dem Flughafen
wiedersah, aber das Problem stellte sich nicht, weil sein Schwager ihn abholte.
Sie zogen los und betranken sich. Als Jones zu Hause das Wasser aufdrehte,
hörten sich die Geräusche in den Rohren für ihn genau wie eine .50 cal an, und
er blieb so lange stehen, um zuzuhören, dass seine Frau schließlich fragte,
was los war. Sie alle zuckten bei lauten Geräuschen zusammen und träumten vom
bewaffneten Kampf, und alle machten sich Sorgen um ihre Brüder draußen im
Korengal. Es waren bewaffnete Kämpfe, in denen ein einziger Mann von
entscheidender Bedeutung sein konnte, aber dieser Mann konnte keiner von ihnen
sein, weil sie zu Hause waren

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