Junger, Sebastian
erfuhr, den Wachturm und zersplitterte nur
wenige Zentimeter neben Pembles Kopf das Sperrholz. Richardson ist so schnell
an der SAW, dass er zwischen zwei Salven den letzten Mundvoll Zahnpasta
ausspucken muss. Gillespie springt auf und rennt in den Funkraum. Überall
greifen sich die Männer die Westen und sprinten an ihre Posten. Mein
Kaffeebecher wird natürlich sofort Opfer der Hektik. Am Funkgerät höre ich
Kearney rufen: ALLE KAMPFEINHEITEN HIER IST BATTLE SIX DER TIC IST EINGETRETEN
VON DEM DIE REDE WAR DER KOP LIEGT UNTER INDIRECT, OVER.«
»Indirect«
bedeutet Mörserbeschuss. Die Granaten werden aus einem Rohr in die Höhe
geschossen und kommen dann von oben herunter, sodass es schwierig ist, vor
ihnen in Deckung zu gehen. (Die Mörser sind auch schwieriger auszuschalten,
weil sie anders als Maschinengewehre hinter den Gebirgskämmen völlig unsichtbar
bleiben können. Der Mörserschütze braucht nur einen Artilleriebeobachter, der
die Treffpunktlage meldet, damit die Geschosse ihr Ziel finden.) Der KOP ist im
Grunde das Mutterschiff, ohne das kein Vorposten im Tal zu verteidigen wäre.
Aufgabe der Vorposten ist es, den KOP vor einem Angriff zu schützen, damit
dieser wiederum die Outposts unterstützen kann. Geschosse und Mörsergranaten
fliegen herein und detonieren an unseren Befestigungen. Aus drei verschiedenen
südlichen Richtungen werden wir beschossen. Gillespie ist auf die
Munitionshütte geklettert, um zu sehen, woher die Granaten kommen, und er
schreit in sein Funkgerät und die Afghanen stehen unwillig und verwirrt herum
und die Amerikaner rennen mit nacktem Oberkörper und johlend zu ihren Waffen.
Während der Ruhepausen schieben sie sich einen Priem unter die Lippen oder
zünden sich Zigaretten an. Olson ist am .50 cal und feuert abwechselnd mit
Jones, der über ihm das M240 bedient, Salven ab. Erbost darüber, dass er
beinahe getötet worden wäre, leert Pemble eine Kiste Granaten aus dem Maschinengranatwerfer
auf die südlichen Bergkämme.
Das
Gefecht dauert zehn oder fünfzehn Minuten. Dann tauchen die A-10s auf und
greifen mit Sturzflügen ein. Neunzig Geschosse die Sekunde, jedes einzelne so
groß wie eine Bierdose, reißen mit einem derartigen Getöse die Berghänge auf,
dass man meinen könnte, der Himmel zerspringe. Die Männer sehen hinauf und
jubeln, als sie den Lärm hören, der ein so bedingungsloses Strafgericht
verkündet, dass es von Gott selbst angeordnet sein könnte.
Ein paar
Wochen später sitze ich eines Abends auf der Munitionshütte und höre den Affen
auf den Gipfeln zu. Ein Temperatursturz hat das Tal mit Nebel gefüllt, und der
Nebel schimmert silbern und fast flüssig im Mondlicht. Airborne schläft, aber
reckt immer mal wieder den Kopf in die Höhe, um irgendeine Bedrohung
anzuknurren, die sich unmöglich weit entfernt unten im Tal zusammenbraut.
Drüben an der Grenze zu Pakistan hat es einen heftigen Kampf gegeben, und
F-15s und F-16s sind den ganzen Abend über uns hinweggedonnert, ständig auf der
Suche nach Menschen, die sie töten können. O'Byrne kommt angewandert und wir
reden. Sein Kopf ist rasiert, aber an den Stoppeln klebt Schmutz, sodass man
sehen kann, wo sein Haar wachsen müsste. Er hat einen Vertrag mit der Army
geschlossen, der bald abgelaufen ist, und muss sich jetzt überlegen, ob er
einen neuen Zeitvertrag abschließt.
»Jeder
Kampf bringt einen solchen Adrenalinrausch«, sagte er, »und ich fürchte fast,
dass ich dieses Adrenalin suchen werde, wenn ich nach Hause komme. Und wenn
ich es nicht finde, fang ich zu trinken an und krieg Ärger. Die Leute zu Hause
meinen, wir trinken wegen der schlimmen Sachen, aber das stimmt nicht... wir
trinken, weil uns die guten Sachen fehlen.«
Auch das
Alleinsein macht O'Byrne Sorgen. Zwei Jahre lang hat er sich ununterbrochen in
Hörweite seiner Kameraden aus dem Platoon befunden, und er hat keine Ahnung,
wie er auf Einsamkeit reagieren würde. Er hat noch nie einen Job finden müssen
oder eine Wohnung, und er hat auch noch nie einen Arzttermin benötigt, denn all
das hat immer die Army für ihn geregelt. Er hat keine andere Aufgabe, als zu
kämpfen. Und darauf versteht er sich. Eine Patrouille den 1705 hinaufzuführen
macht ihm weniger Kopfzerbrechen, als, sagen wir mal, nach Boston zu ziehen und
dort eine Wohnung und einen Job zu finden. Er besitzt wenig Kompetenz in dem,
was Zivilisten als »Lebensfähigkeit« bezeichnen; seine Lebensfähigkeit sichert
ihm buchstäblich das Überleben, und sie ist
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